Daemonen des Lichts
Die anderen zwei waren unmittelbar hinter ihm. Mich packte das blanke Entsetzen: Sie waren zu zahlreich und sie waren viel zu dicht dran. Auf diese kurze Entfernung konnte Alex nicht mit ihnen fertig werden. Sie würden ihn umbringen.
Doch auf einmal spürte ich eine leise Bewegung in meinem Inneren, etwas regte sich. Ich wuchs und mit einem Mal war ich in der Luft und schwebte über meiner menschlichen Hülle, die unter mir auf der trockenen steinigen Erde kauerte. Ich steckte in dem blendend weißen Körper eines Engels, der im Sonnenlicht schillerte. Alle Angst war von mir abgefallen, nur Entschlossenheit war geblieben.
Sie würden mich nicht umbringen und sie würden Alex nicht umbringen.
Die Engel attackierten uns wie von Sinnen. Sie hatten es auf meine verletzliche menschliche Aura abgesehen. Einer von ihnen, ein weiblicher Engel, stürzte sich direkt auf sie und schlug mit dem Flügel nach ihr.
Das Wüstenpanorama kippte zur Seite und raste auf mich zu, als ich an dem Engel vorbeifegte. Unsere Flügel blitzten wie Spiegel in der Sonne. Ihr Schlag ging ins Leere und sie kreischte vor Wut.
»Verschwinde, du halbmenschliches Scheusal«, zischte sie.
Ich gab keine Antwort, sondern jagte bereits davon, um dem anderen Engel den Weg abzuschneiden. Mit schwirrenden Flügeln zischte ich schnell wie ein Pfeil in der Luft hin und her.
Erst wenige Sekunden waren vergangen. Alex feuerte, und der Engel, der sich auf ihn geworfen hatte, explodierte in einem sprühenden Funkenregen. Mit lautem Gekreische stürzten sich die restlichen zwei Engel in einem wüsten Durcheinander aus Flügeln und Licht auf ihn. Ich sah, wie er die Kiefernmuskeln anspannte, als ihm klar wurde, dass er sie unmöglich beide erledigen konnte und einer von ihnen ihn töten würde.
Die flachen Hügel am Horizont schienen sich zu überschlagen, als ich mit ausgebreiteten Flügeln zu ihm hinüberschnellte.
Alex riss die Augen auf, als er mich erblickte. Ich sah, dass er das Gewehr leicht sinken ließ und nach oben starrte. Die zwei Engel waren in entgegengesetzte Richtungen davongestoben. Die Welt wirbelte in einem wilden Tanz um mich herum, kippte mal in die eine, mal in die andere Richtung, während ich über ihm durch die Luft flitzte, ihn abschirmte und mit meinen Flügeln beschützte. Mit erbostem Geheul warf sich der eine Engel abermals zu meiner menschlichen Gestalt herum. Alex legte an und der andere, ein weiblicher Engel, der mir für den Moment entwischt war, griff ihn umgehend an. Alex sah erschrocken hoch, ließ sich fallen und rollte zur Seite, als sie ihre Flügel nach ihm ausstreckte. Sie war über ihm, sie würde ihn erwischen.
Ich zögerte keine Sekunde. Als Erstes ging ich auf den Engel los, der mit Alex kämpfte. Ich warf mich im Sturzflug auf sie und drängte sie mit meinen Flügeln zurück. Ich hatte keine Ahnung, woher ich wusste, wie man kämpft, aber ich konnte es. Sie kreischte zornig auf, schlug nach mir und fletschte die Zähne. Dunkel war mir bewusst, dass mein menschliches Ich ungeschützt war und dass der andere Engel es fast erreicht hatte. Es war mir egal. Dieser Engel hier würde Alex nichts zuleide tun.
Es knallte, als Alex erneut abdrückte. Licht explodierte um uns herum wie ein Feuerwerk, als der Engel, der meinen menschlichen Körper attackierte, sich auflöste.
Der letzte Engel jaulte auf. Sie schlug mit ihren Flügeln nach mir und versuchte, mich beiseitezudrängen, dann zog sie sich abrupt zurück und preschte auf Alex zu, ihre Flügel schrillten durch die Luft. Die Wüste drehte sich, als ich im Sturzflug losraste, um ihn abermals zu verteidigen. Doch es war nicht mehr nötig. Alex wälzte sich herum und feuerte – und der Heiligenschein des letzten Engels verzerrte sich und erbebte. Eine Sekunde später war sie verschwunden.
Die plötzliche Stille war so tief wie ein klarer Bergsee. Einen Moment lang schlug ich leicht mit den Flügeln und ließ mich treiben, als mich eine Woge des Schreckens und der Erleichterung erfasste.
Wir waren noch am Leben. Irgendwie waren wir beide heil davongekommen. Ich beobachtete, wie Alex sich mühsam hochrappelte und mit benommener Miene zu mir aufsah. Dann trudelte ich langsam abwärts und verschmolz mit meinem menschlichen Körper unter mir auf der Erde.
Ich war wieder ich selbst.
Alex kam zu mir herüber und fiel auf die Knie. Er keuchte, sein Oberkörper war schweißbedeckt und schmutzverschmiert. Wir starrten uns an. Ich hatte mich so angestrengt, nicht
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