Daemonen des Lichts
lassen, wenn du so etwas siehst«, sagte er schließlich mit den Händen über das Lenkrad fahrend. »Es ist schwer, aber man muss sich davon losmachen.«
Draußen zog Tennessee vorbei, die dramatischen Hügel wurden sanft und wellig. Wir machten einen Bogen um Memphis und um sechs Uhr hatten wir den Mississippi überquert, der sich in einer weiten Schleife endlos unter uns ausbreitete. Auf halbem Weg über die Brücke waren wir in Arkansas, wo das Land ganz plötzlich flach wurde und in weite, mit vereinzelten Bäumen bestandene Felder überging.
Alex rutsche auf dem Fahrersitz herum und versuchte, seine Schultern zu lockern.
»Ich könnte doch auch mal eine Weile fahren«, schlug ich vor.
Er sah mich überrascht an. »Möchtest du?«
»Klar, gerne sogar«, sagte ich. »Dann kannst du mal Pause machen, und wenn ich mithelfe, kommen wir schneller voran. Außerdem habe ich noch nie einen Mustang gefahren.«
Er grinste. »Tja, ich weiß, du wirst mir nicht glauben, wenn ich dir sage: Da hast du nicht viel verpasst. Aber ja, danke – ich nehme dein Angebot an.« Er fuhr an den Straßenrand und wir stiegen au$, um die Plätze zu tauschen. Die Sonne knallte auf uns herunter. Es war so seltsam, dass hier praktisch immer noch Sommer war, während wir zu Hause schon in Pullovern und Jacken herumlaufen würden.
Ich blieb vor dem Wagen stehen und blickte auf ein Feld.
Niedrige Büsche mit dürren Zweigen, an denen schwere weiße Bälle hingen, wie nach einem Schneegestöber. Ich musste zweimal hinsehen, bevor mir aufging, was das war. »Ist das echt Baumwolle?«
Alex blieb neben mir stehen, die Hände in den hinteren Hosentaschen. Ein leichter Wind zerzauste seine dunklen Haare. »Ja, die gibt’s hier unten reichlich. Und Reis.«
Ich sah ihn an und dachte, dass er, obwohl er nie zur Schule gegangen war, so viel mehr wusste als die meisten Leute, die ich kannte. »Wo hast du eigentlich Spanisch gelernt?«, fragte ich. »Im Camp?«
Er nickte. »Ein paar Engeljäger waren Mexikaner … ich habe es irgendwie einfach aufgeschnappt. Außerdem war die Grenze nicht weit; manchmal sind wir nach Mexiko gefahren.« Er blickte lächelnd zu mir herunter. »Hey, versuchst du dich vorm Fahren zu drücken?«
Seine Augen waren warm und voller Lachen. Auf einmal packte mich ein irrer Drang, einfach auf ihn zuzugehen und ihm die Arme um die Taille zu legen. Ich schüttelte ihn ab. »Nö«, sagte ich und streckte die Hand aus. »Her mit den Schlüsseln.«
Langsam durchquerten wir Arkansas. Der Mustang ließ sich wunderbar fahren. Die Radstellung war nicht ganz optimal, aber das Lenkrad unter meinen Händen fühlte sich großartig an, wie ein Stück Geschichte. Kurz nachdem ich mich ans Steuer gesetzt hatte, verschwand die Sonne hinter dem Horizont. Ein paar Stunden später waren wir in Oklahoma. Es war so dunkel, dass ich überhaupt nichts von der Landschaft erkennen konnte. Ich spähte während des Fahrens durch die Windschutzscheibe. »Noch ein Staat, den ich nur vom Hörensagen kenne, und jetzt kann ich ihn mir nicht mal anschauen.«
Alex hatte sich mit halb geschlossenen Augen auf dem Beifahrersitz ausgestreckt. »Die Gegend hier sieht im Großen und Ganzen genauso aus wie Arkansas«, sagte er. »Mach dir nichts draus, dir entgeht nichts Besonderes.«
Dem bisschen nach zu urteilen, was ich im Licht der Scheinwerfer erkennen konnte, hatte er recht. »Was, meinst du, passiert, wenn wir ins Camp kommen?«, fragte ich.
Er setzte sich etwas aufrechter hin und rekelte sich. »Wir müssen alle AKs zusammentrommeln und uns neu formieren und dann, ohne dass die Engel es mitbekommen, wieder unser eigenes Ding aufziehen. Ich weiß nicht, wie viele Engeljäger noch im Einsatz sind – Cully hat hoffentlich so halbwegs den Überblick, damit wir uns eine Strategie überlegen können.«
Ich war mir nicht sicher, wie ich ins Bild passte oder warum sich die Engel so sicher waren, dass ich eine Bedrohung für sie darstellte. Es war aber auch egal – denn solange meine Familie in Gefahr war, konnte ich auf keinen Fall nach Hause zurück. In mir tobten widersprüchliche Gefühle: ein schneidender Schmerz bei dem Gedanken, dass ich Mom vielleicht nie wiedersehen würde, aber auch Erleichterung darüber, dass ich, wie es schien, bei Alex bleiben würde, was immer die Zukunft auch bringen mochte. Ich schluckte, als ich erkannte, wie wichtig mir das geworden war. Wann war denn das passiert?
»Soll ich dich für eine Weile ablösen?«, fragte
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