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Daemonenblut

Daemonenblut

Titel: Daemonenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Harfe zu einem dramatischen Solo an, das meine Rufe nach Onkel Hughs Geist untermalte.
    » Hugh Stetson « , rief ich ein letztes Mal. » Wir rufen dich! «
    Dann ließ ich die Arme auf den Tisch sinken. Ich täuschte schweres Atmen vor, als hätten mich die Anrufungen Kraft gekostet, und ließ den Blick langsam durch den Raum wandern, ehe ich meine Augen auf eine Ecke des Zimmers richtete. » Ich kann ihn spüren « , sagte ich leise. Noch war es zu früh, den Projektor anzuschalten. » Er beginnt sich zu manifestieren. «
    Grace öffnete die Augen. » Wo ist er? «
    Ich deutete in die Ecke, die vom Kerzenschein ausgeleuchtet wurde. Die Flammen ließen die Schatten tanzen, als wären sie die wirklichen Geister.
    James und Grace folgten meinem Blick. Noch ein paar Sekunden, dann würde ich mit dem Knie den Schalter für den Projektor umlegen, der auf der Unterseite der Tischplatte angebracht war. Sobald die schemenhaften Umrisse im Spiegel erschienen, musste selbst James seine Skepsis ablegen!
    Die Augen zusammengekniffen, als müsse ich mich immer noch konzentrieren, starrte ich an die Stelle, an der sich Onkel Hugh angeblich manifestierte. » Komm zu uns! « , forderte ich ihn auf und ließ meinen Blick langsam weiterwandern, dem Spiegel entgegen, in dem wir sein vermeintliches Abbild als Erstes erblicken würden. » So ist es gut. Noch ein Stückchen näher. Zeig dich uns. « Und an Grace gewandt: » Sehen Sie, wie sein Haar im Licht leuchtet? «
    James begann zu lachen. » Haare? Onkel Hugh hatte eine Glatze, Schätzchen. «
    Ich schluckte einen Fluch herunter und ließ das Knie sinken, mit dem ich schon fast den Schalter berührt hatte. » Dann ist es der falsche Geist « , beeilte ich mich zu sagen.
    Wie viel Prozent der männlichen Bevölkerung hatten eine Glatze? Ich kannte die Zahlen nicht, doch es konnten nicht so viele sein. Und wie wahrscheinlich war es, dass ausgerechnet ich einen davon erwischen musste?
    Mit großen Worten und Gesten gab ich vor, den Geist zu bannen, ihn zurückzuschicken in die Welt, aus der er gekommen war, und den Weg für Onkel Hugh freizugeben. Ich machte mir nicht die Mühe, meine Klienten noch einmal zu bitten, die Augen zu schließen. James würde es nicht tun. Er hatte meinen Betrug gewittert und würde sich keine Sekunde der weiteren Show entgehen lassen.
    In der Hoffnung, vielleicht noch etwas retten zu können, setzte ich zu einer weiteren Anrufung an. Dabei starrte ich in die Kristallkugel, als könne ich das Kommen des Geistes dort zuerst erkennen. In Wahrheit wollte ich nur James’ bohrendem Blick ausweichen.
    Dieses Mal sparte ich mir das ganze Brimborium. Keine Gesten, keine Blicke. Nur Worte. Meine Hände blieben auf der Tischplatte, während ich erneut nach Onkel Hugh rief.
    » Die Pforten sind geöffnet, folge unserem Ruf! « , verlangte ich zum gefühlt tausendsten Mal. » Hugh Stetson, erhöre uns! « Bei jedem Horrorfilm wäre ich in Gelächter ausgebrochen. Mir waren jedoch schon nach drei Sätzen die spannenden Formulierungen ausgegangen, sodass ich mich auf ständige Wiederholungen verlegte, in der Hoffnung, dass es mir gelänge, sie wie ein Muster wirken zu lassen. Falls ich mich je wieder an eine Séance heranwagen sollte, nahm ich mir vor, mir im Vorfeld bessere Texte zu überlegen.
    » Ich kann dich spüren « , fügte ich nun doch noch abweichend hinzu und zuckte zusammen, als ein kühler Hauch über meinen Nacken strich. Es hatte sich wie eine Berührung angefühlt! Unwillkürlich schüttelte ich den Kopf. Jetzt ließ ich mich schon selbst von meiner künstlich erzeugten Gruselatmosphäre einfangen. Zu dumm, dass meine Kunden nicht ebenfalls darauf hereinfielen. Grace’ Blick streifte umher, als suche sie tatsächlich nach Onkel Hugh, während sich James zurücklehnte. Ein Bein über das andere geschlagen, die Arme vor der Brust verschränkt, beobachtete er mich.
    Es war kälter geworden. Die Gänsehaut, die sich über meine Arme ausbreitete, war ein deutliches Zeichen für den plötzlichen Temperaturabfall. Oder dafür, dass ich mich zu sehr von meiner eigenen Show mitreißen ließ.
    Es war Zeit, dem Spektakel ein Ende zu bereiten. Es würde ein unrühmlicher Abgang werden, aber ganz gleich, wie sehr ich mich auch anstrengte, ich würde das hier zu keinem gelungenen Abschluss mehr bringen. Nicht unter James wachsamen Blicken.
    Eine letzte Anrufung. Dann würde ich behaupten, den Geist zu sehen– und ihn gleich wieder verloren zu haben.
    » Hugh

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