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Daemonenblut

Daemonenblut

Titel: Daemonenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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herumzuführen, war eine Herausforderung. Meine Güte, wie er den Sessel inspizierte! Er starrte das gepolsterte Ungetüm so durchdringend an, dass ich schon fürchtete, er würde gleich ein Messer aus der Tasche ziehen und den Stoff aufschlitzen, in der Hoffnung, in seinem Inneren etwas Verräterisches zu entdecken.
    Ich ließ zu, dass er seine Erkundung fortsetzte. Solange Grace ihn mit ihren ständigen » Sieh dir das an! « und » Hast du das schon gesehen? « davon abhielt, sich zu genau umzusehen, konnte nicht allzu viel passieren. Während ich beobachtete, wie sie sich mit großen Augen umsah, mit der Hand über Stoffe strich und mit dem Finger gegen die baumelnden Quasten einer Stehlampe schnippte, nahm ich zum ersten Mal wirklich wahr, wie perfekt Madames Einrichtung ihren Zweck erfüllte. Der Raum war dermaßen überfrachtet, es gab so viel zu sehen und zu entdecken– und jedes Teil lenkte das Auge von den Dingen ab, die besser unentdeckt blieben.
    Dank Grace’ Begeisterung kam James mit seiner Erkundungstour nicht sonderlich gut voran. Ständig forderte sie seine Aufmerksamkeit, wollte, dass er dieses und jenes betrachtete, und hielt ihn davon ab, sich zu genau umzusehen. Und wenn sie ihn nicht ablenkte, tat ich es. Die Kaffeemaschine hinter dem Vorhang ließ ich ihn noch entdecken. Als er sich jedoch der Ecke näherte, in der sich der Projektor verbarg, stellte ich mich ihm in den Weg.
    » Ich würde Ihnen gern noch Gelegenheit geben, sich umzusehen, aber dann bleibt uns nicht mehr genug Zeit für die eigentliche Séance « , sagte ich und deutete zum Tisch. » Wenn Sie sich bitte setzen würden. «
    » Ich dachte, Geister hätten es nicht mehr eilig. «
    » Die Geister nicht, James « , gab ich mit einem Lächeln zurück. » Die Kunden, die nach Ihnen einen Termin haben, aber vielleicht schon. «
    Grace war noch immer vollkommen gefangen, trotzdem kam sie zum Tisch und setzte sich. James nahm neben ihr Platz. Zu meiner Erleichterung machte er keine Anstalten, den Tisch umzudrehen. Andernfalls hätte er unter der Tischplatte Dinge entdeckt, die definitiv nicht für seine Augen bestimmt waren.
    Ich zog die Stoffbahnen vor die Fenster und zündete eine Reihe von Kerzen an, die überall im Zimmer verteilt standen. Jede meiner Bewegungen ließ die Flammen über die Dochte tanzen und das Licht hin und her zucken. Die Spiegel fingen die Reflexionen auf und ließen es aussehen, als befänden wir uns in einem Meer aus Kerzen. In Wahrheit waren es nicht einmal zwei Dutzend. Bevor James unruhig werden konnte, holte ich Madames Kristallkugel, platzierte sie vor mir auf dem Tisch und setzte mich.
    James’ Misstrauen hätte mich verunsichern sollen. Anfangs war das auch so gewesen, jetzt jedoch hatte es die gegenteilige Wirkung auf mich. Dieser Mann wusste, dass er ein Schauspiel zu sehen bekommen würde. Und wie die Zuschauer einer Zaubershow, die herauszufinden versuchten, wie der Bühnenzauberer einen bestimmten Trick zustandegebracht hat, versuchte er hinter das Geheimnis der Séance zu kommen. Hatte Madame nicht selbst gesagt, dass die Leute, die hierherkamen, belogen werden wollten? Dieses Wissen sorgte dafür, dass ich mich nicht schlecht dabei fühlte, den Shepherds etwas vorzuspielen. Alles, was blieb, war ein wenig Lampenfieber und der Wunsch, eine perfekte Show zu liefern.
    » Bevor wir beginnen können, muss ich wissen, wen ich für Sie rufen soll? «
    » Meinen Onkel « , sagte Grace. » Hugh Stetson. «
    » Wie lange ist er denn… Wann ist er gestorben? «
    » Vor ein paar Wochen. «
    Für gewöhnlich hielt Madame keine Sitzungen ab, wenn es dabei um einen so frischen Verlust ging. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen, die den Kontakt suchten, noch trauerten und es ihnen nicht um den Spaß an der Séance ging, war einfach zu hoch. Umso überraschender, dass sie diesen Termin angenommen hatte.
    » Standen Sie und Onkel Hugh sich nahe? «
    Als Grace den Kopf schüttelte, hätte ich um ein Haar erleichtert aufgeseufzt. Vermutlich war der Onkel nur der Aufhänger, den die beiden gesucht hatten, um zu einem Medium zu gehen. Damit konnte ich leben. Alles war gut, solange Grace nicht in Tränen ausbrach, wenn ich vorgab, der Geist würde durch mich sprechen. Falls ich im weiteren Verlauf unseres Gesprächs herausfinden sollte, dass sie doch um ihren Onkel trauerte, würde ich abbrechen, indem ich behauptete, keinen Kontakt herstellen zu können. Wenn ich eines nicht tun wollte, dann in kaum verheilten

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