Daemonenblut
Seine Hand lag noch immer auf meinem Arm, aber ich konnte die Berührung nicht mehr spüren. Sein Körper löste sich vor meinen Augen auf, verblasste immer mehr und wurde allmählich durchsichtig.
» Wie ist es passiert? « , brachte ich nun doch hervor.
Craig sagte nichts. Vielleicht war er bereits zu weit entfernt, um noch zu sprechen. Aber er sandte mir ein Bild. Ich sah die Welt mit seinen Augen. Er kniete auf dem Boden, vor ihm stand eine Gestalt, eine Hand auf seiner Stirn. Als Craig den Kopf hob, sah er in ein Paar beinahe farbloser Augen.
Keuchend holte ich Luft.
» Er war das? Hat er dich umgebracht? «
Ich bekam keine Antwort. Craig war fort und ich allein. Unwillkürlich streckte ich meinen Geist nach ihm aus, versuchte, ihn zurückzurufen, obwohl ich kaum noch die Kraft hatte zu stehen. Sosehr ich mich auch bemühte, ich bekam ihn nicht mehr zu fassen. Dort, wo ich vor wenigen Augenblicken noch seine Anwesenheit gespürt hatte, war nur noch Leere. Craig Lucas war ins Licht gegangen.
28
Zwei Kaffeebecher in einer Hand jonglierend, griff Nick mit der anderen nach der Türklinke. Einer der Becher kam ins Rutschen, und er konnte gerade noch verhindern, etwas zu verschütten. Der Kaffee hatte den Zusammenstoß mit diesem Idioten überstanden, der ihn vorhin auf dem Gang angerempelt hatte. Statt sich zu entschuldigen, hatte der Kerl auch noch die Frechheit besessen, ihn mit seinen merkwürdigen Augen anzustarren, als könne er Nick allein mit einem Blick dazu bringen, sich in Luft aufzulösen. Dabei waren finstere Blicke seine Spezialität. An jedem anderen Tag hätte er diesen Kerl nicht so leicht davonkommen lassen. Jetzt allerdings wollte er zu Riley zurück. Sie hatte lange genug Zeit gehabt, um sich zu verabschieden. Länger wollte er sie nicht allein lassen.
So erleichtert Nick gewesen war, dass es sich bei dem Toten nicht um Adam gehandelt hatte, so sehr hatte es ihn überrascht, dass ausgerechnet Riley den Jungen kannte. Wir waren verabredet, aber er ist nicht gekommen.
Ohne weitere Gefahr für den Kaffee öffnete er die Tür und trat in den Raum. Hier war es dunkler als auf dem Gang. Dunkler als vorhin. Eine der Neonröhren flackerte. Dann sah er die Scherben auf dem Boden. Bevor er sich fragen konnte, wie das passiert war, fiel sein Blick auf Riley.
Sie kauerte vor der Wand auf dem Boden und starrte ihn an, als hätte sie nicht ihn, sondern den Teufel persönlich erwartet. Ihm lag schon ein bissiger Kommentar auf der Zunge, doch abgesehen davon, dass sie gerade einen Freund– ihren Freund?– verloren hatte, war sie so bleich, dass ihm die Worte im Hals stecken blieben. Er stellte die Kaffeebecher auf eine der leeren Bahren und ging neben ihr in die Hocke. Schon heute Mittag hatte sie nicht gerade frisch ausgesehen. Verglichen mit jetzt war sie da allerdings das blühende Leben gewesen. Sie reagierte so langsam auf ihn, dass er versucht war, nach ihrem Puls zu tasten, um sicherzugehen, dass sie überhaupt noch lebte. » Fühlst du dich nicht gut? Brauchst du einen Arzt? «
» Wir müssen hier weg. «
Erst jetzt sah er, dass sie zitterte. » Was ist los? «
» Da war dieser Kerl. Er hat mich angegriffen. « Sie schüttelte den Kopf. » Nein, nicht wirklich. Eigentlich wollte er nur, dass ich ihn ansehe. Aber er hat… er hat irgendwie mit Craigs Tod zu tun. Ich habe es gesehen und– «.
» Halt! Warte! Wovon redest du überhaupt? «
» Der Mann mit den farblosen Augen! «
Nick hielt inne. Sie mochte zusammenhangloses Zeug faseln, doch diesen Kerl hatte er gesehen. Seinetwegen hatte er um ein Haar den Kaffee verschüttet. Die Richtung, aus der er gekommen war… er hätte ebenso gut aus diesem Raum kommen können.
» Jetzt noch einmal ganz langsam. « Es kostete ihn Mühe, ruhig zu bleiben. » Wer war das und was wollte er? «
» Ich weiß es nicht. Aber er war im Laden und im Café gegenüber. Immer wieder, seit Tagen. Und er hat etwas mit Craigs Tod zu tun. «
» Woher weißt du das? «
» Ich habe es gesehen. «
» Nicht die Sache mit dem Laden und dem Café. Die mit Craig. «
» Ich habe es gesehen « , sagte sie noch einmal.
Sein Geist. Er musste es ihr gezeigt haben, ganz ähnlich wie sie Zeugin von Miles’ Tod geworden war, als sie versucht hatte, ihn zu beschwören.
» Ich rufe die Polizei! «
Nick griff nach seinem Smartphone, doch Riley hielt ihn zurück. » Keine Polizei. « Zum ersten Mal, seit er hereingekommen war, hatte er das Gefühl, dass sie ihn wirklich
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