Daemonenbraut
und stand schweigend neben mir. Ich sah nicht zu ihm auf, da er mich um zwei Köpfe überragte, und außerdem war ich nicht in der Lage, seinem fragenden Blick zu begegnen. Laut Karl sollte ich mindestens noch drei Monate mit ihm Zusammenarbeiten. Die Türen glitten mit einem leisen Klingeln auf, und wir standen der Empfangsdame gegenüber, die - einer Bibliothekarin gleich -eine gelangweilte Miene aufgesetzt hatte. Davon ließ ich mich nicht täuschen. Ich wusste, dass sie eine Hexe war und uns mit einem Fingerschnippen auslöschen konnte. Außerdem hatte sie den Finger auf dem Knopf, der die Eingangshalle in Brand setzen würde, und da sie hinter einem von ihr erstellten Schutzzauber saß, würden die Flammen ihr nichts anhaben können.
»Weist euch bitte aus«, sagte sie mit ihrer geschäftigen Stimme, und wir gingen zu einem Scanner, der unsere Pupillen maß und uns eine Gewebeprobe entnahm. Diese Schnitte werden schnell durchgeführt und heilen sofort durch einen Zauber wieder. Danach dauert es knapp fünf Sekunden, bis das Ergebnis da ist.
Offenbar schien Edna, die Empfangshexe, grünes Licht zu bekommen, denn sie faltete entspannt die Hände auf dem Schreibtisch. »Willkommen zurück.«
»Danke, Edna.« Angespannt steuerte ich auf die Tür zu, die zu unserer Abteilung führte, wo Julius und ich unsere Schreibtische hatten, und stieß mit einem hochgewachsenen Mann zusammen, der die Abteilung gerade verlassen wollte. Das blonde Haar fiel ihm in das blasse Gesicht, und ich musste seinen Mund nicht sehen, um zu wissen, dass er ein Vampir war. Ich erkannte es an seinen hellen, fast fliederfarbenen Augen.
Jeanette, unser Agenturflittchen, begleitete ihn mit geröteten Wangen. Als sie Julius sah, schien sie verwirrt zu sein. Offenbar wusste sie nicht, wen sie nun attraktiver finden sollte. »Oh. Hallo, Sophie«, zirpte sie erstaunt.
Ich brummte ein Hallo zurück und drückte mich an dem Mann vorbei in die Abteilung, den Blick des fremden Vampirs in meinem Rücken wie einen Dolch spürend. Julius schnaubte neben mir abfällig, sodass ich nun doch den Kopf hob. »Was ist los?«
»Das war Chris Bloomfield, er vertritt den Vampirrat«, knurrte er.
Das hatte ich nicht gewusst, und es wurmte mich. »Vertritt?«
»Er ist Anwalt«, sagte Julius in einem Ton, der mich eine Augenbraue heben ließ. Glaubte er etwa an den Spruch mit dem Teufel und dem Anwalt? Ich selbst hatte am eigenen Leibe erfahren müssen, dass man manche Dinge einfach nicht akzeptieren konnte. Meine Großmutter trug in meiner Nähe immer einen Rosenkranz und betete dreimal das Vaterunser, wenn ich mit meinen Eltern zu Besuch kam. Sie nannte mich eine Ausgeburt der Hölle. Allerdings muss ich ihr zugutehalten, dass sie mir stets zum Geburtstag ein Geschenk überreichte, und obwohl sie immerzu betete, wenn ich bei ihr war, konnte ich in ihren Augen sehen, dass ein Teil von ihr mich liebte, während der andere mich fürchtete. Meinem Großvater hingegen machte es den größten Spaß, sie zu ärgern. Während Oma schweigend betete, hob er mich auf seine Knie, herzte mich und nannte mich sein Höllenkind. Er war viel ungezwungener und ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Mein Vater sagte einmal, zwei so unterschiedliche Menschen hätte er noch nie verheiratet gesehen. Meine Oma war ziemlich gläubig, und mein Opa machte sich unbekümmert darüber lustig. Aber ganz gleich, wie verschieden sie waren, ich konnte stets sehen, wie sehr sie sich liebten. Sie starben sogar kurz nacheinander. Das war zu der Zeit, als ich gerade den Job in der Agentur angenommen hatte. Wie stolz meine Großmutter mich damals angesehen hatte. In ihren Augen kämpfte ich gegen die Höllenbrut, dabei vergaß sie, dass sie mich einst auch dazu gezählt hatte.
Eigentlich war sie es gewesen, die mich gelehrt hatte, an Gott zu glauben. Und seien wir ehrlich: In dieser Zeit ist es einfacher zu glauben als jemals zuvor. Wir sehen die Dämonen der Hölle, werden von Vampiren gejagt. Wenn es das Böse gibt, dann gibt es auch den Himmel. Ich glaube mit meinem ganzen Herzen daran, und jedes Mal, wenn ich meine Diener aus der anderen Dimension herüberhole, bin ich mir bewusst, wie verführerisch es sein kann, die Seiten zu wechseln, sich von den einschmeichelnden Stimmen der Dämonen umhüllen und sie gehen zu lassen, damit sie sich diese Welt Untertan machen. Sie versprechen einem, was man will, sie locken mit ewiger Jugend und unendlichem Reichtum. Ich wundere mich, dass noch
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