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Dämonenfluch (Gesamtausgabe) (German Edition)

Dämonenfluch (Gesamtausgabe) (German Edition)

Titel: Dämonenfluch (Gesamtausgabe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Kluger
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hundert Jahren genug Zeit gehabt hatte, um eine Menge Sprachen zu lernen. Wieder spürte sie, wie sie errötete.
    „Ich stamme aus Syrien. Wenn man so alt ist wie ich, hat man viel Zeit, um Sprachen zu lernen“, antwortete Alexander, als habe er ihre Gedanken erraten. „Das ist für einen Dämon nicht besonders schwer. Wir können ohnehin die Gedanken von Menschen lesen, sodass wir automatisch den Sinn ihre Worte erfassen, selbst wenn wir ihre Sprache nicht beherrschen. Hauptsächlich müssen wir die Aussprache üben, und selbst dafür scheinen wir ein Talent zu haben.“ Die letzten Worte wurden von einem Schulterzucken begleitet, ganz so, als sei es keine große Sache, Gedanken lesen zu können und Sprachen zu lernen.
    „Du kannst Gedanken lesen?“ Noch bevor Sariel diese zweite Frage stellte, kannte sie die Antwort. Sie hatte oft genug den Eindruck gehabt, der Dämon nehme sie intensiver wahr, als dies einem Menschen möglich war.
    „Ja. Jeder Dämon kann das. Die meisten Halbdämonen übrigens auch. Es ist gut möglich, dass du in den nächsten Monaten diese Fähigkeit an dir feststellst.“
    „Das klingt seltsam.“
    „Man gewöhnt sich daran. Außerdem musst du nicht die Gedanken deiner Mitmenschen lesen, wenn du nicht möchtest. Im Grunde ist es unhöflich. Ich tue es so selten wie möglich, und auch nur dann, wenn es sein muss.“
    „Wirklich?“
    Statt einer Antwort grinste Alexander. Mit einem Mal sah er jünger aus als sonst.
    „Wie entsteht ein Ifrit?“
    „Das sind viele Fragen“, stellte Alexander fest.
    „Ich weiß so wenig über Dämonen und Halbdämonen.“ Sariel sah ihn bittend an.
    Alexander setzte sich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    „Das ist okay, ich wollte dir ohnehin mehr über unsere Art erzählen“, sagte er. „Früher entstanden wir, wenn ein Mord geschah und ein Mensch oder Dämon Rache für diesen Mord forderte. In solchen Fällen wurde ein Ifrit ‚geboren’.“
    Alexander malte mit seinen Fingern Anführungszeichen in die Luft, um zu zeigen, dass „geboren“ nicht wörtlich zu nehmen war.
    „Wir entstehen als voll ausgewachsene Dämonen. In den letzten Jahrzehnten aber geschieht dies kaum noch. Es gibt nur noch wenige Menschen, die an Dämonen glauben oder von unserer Existenz wissen. Morde werden von uns nur noch dann gesühnt, wenn der Ältestenrat der Dämonen einem von uns diesen Auftrag erteilt. Wenn wir diese Anfrage annehmen, ruhen wir erst, wenn wir unsere Mission erfüllt haben.“
    „Es gibt dich also nur, weil ein Mensch ermordet wurde. Der Ifrit, der dann entsteht – ist er derjenige, der den Mord rächt?“
    „Ja. Das ist unser Daseinszweck.“
     
    Gedankenverloren starrte Sariel auf die Tischplatte.
    „Dann hat meine Mutter also einen Menschen ermordet?“ Ohne aufzusehen, stellte sie diese letzte Frage.
    „Nein. Sie hat niemanden ermordet. Sie hat einen Mord gesühnt. Sariel, sieh mich an, bitte.“
    Ohne etwas zu erwidern, schüttelte sie den Kopf. Ihre Mutter, ihre wunderschöne, liebevolle Mutter war fähig gewesen, einen Menschen zu töten.
    „Es ist kein Mord. Es ist Gerechtigkeit.“
    „Ist es das? Wer entscheidet das? Wer verteidigt das Opfer? Ist Gott in diesem Ältestenrat anwesend?“
    Noch bevor Alexander antworten konnte, sprang Sariel auf. Obwohl sie von gestern noch geschwächt war, bewirkte ihre Wut, dass eine Glasschüssel, die auf der Spüle stand, klirrend zersprang. Zwei Teller, die auf der Anrichte standen, sausten durch die Luft.
    „Beherrsche dich!“
    Als Sariel nicht reagierte, stand Alexander ebenfalls auf. Mit zwei großen Schritten war er bei ihr und packte sie an der Schulter.
    „Sariel. Ob es dir gefällt oder nicht, deine Mutter war eine Dämonin, und du bist eine Halbdämonin. Finde dich damit ab!“
    „Ich will nicht!“ Fast mühelos befreite sie sich aus seinem Griff und trat einen Schritt zurück. „Ich bin nicht die Tochter einer mordenden Dämonin, die es nicht einmal für nötig hielt, mir zu sagen, was ich bin.“
    „Doch, das bist du.“ So schnell, wie sie aufgelodert war, legte sich Alexanders Wut. Er konnte verstehen, wie schwer es für Sariel sein musste, ihr Anderssein zu akzeptieren. Der Tod ihrer Eltern musste ein Schock gewesen sein. Danach bei ihrem Onkel zu leben, der selbst an seinen besten Tagen ein kalter, unsympathischer Mensch war, hatte ihr kaum darüber hinweghelfen können. Dann noch mit der Tatsache konfrontiert zu werden, ein Wesen zu sein, das ihr vollkommen fremd

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