Dämonenjäger Murphy - Dreizehn Zyklen
das Gefäß und sein Inhalt wird sich in alle Himmelsrichtungen ergießen.
*
Er lebte. Hatte sich bis in die tiefsten Abgründe seiner Erinnerungen zurückgezogen. Seine rechte Hand hielt einen zerkratzen Kugelschreiber, den ihm seine Eltern zur bestandenen Aufnahmeprüfung geschenkt hatten. Das Teil war uralt, wenn die Mine nachließ, ersetzte er sie kurzerhand durch eine neue. Er überflog gerade die vor ihm aufgeschlagene Buchseite, und machte seine Notizen, als ein sanfter Hauch sein linkes Ohr streifte und ihn zusammenzucken ließ.
„Fleißig“, kicherte Nathalie und ließ sich von ihm küssen. Ein leidenschaftlicher Kuss, der ihnen den rügenden Blick der Bibliothekarin einbrachte.
Sie setzte sich, noch immer kichernd, neben ihn. „Schwierig?“, wollte sie wissen und beugte sich ein Stück vor.
„Für die meisten schon“, sagte er ernst und ließ dabei schwache Anzeichen eines Grinsens erkennen.
Nathalie gab ihm einen Klaps. „Angeber“, sagte sie und – er war plötzlich nackt, wälzte sich unter den keuchenden Zurufen seiner Kollegin im Bett. Sie grub ihre Fingernägel in sein Fleisch, schälte ihm die Haut ab. Margie war heiß, das hatte er seit ihrem ersten Aufeinandertreffen gewusst. Die Versuchung war immer da gewesen. Er hatte versucht dagegen anzukämpfen. Er liebte Nathalie, wollte mir ihr leben, eine Familie gründen, und doch... besaß er einfach nicht die Stärke die niederen Triebe unter Kontrolle zu halten. Er schämte sich dafür. Nein! Er hasste sich. Es würde zerbrechen. Seine Schuld, sein Verbrechen. Er fühlte wie seine Augen feucht wurden, Verbrecher... es ließ sich nicht abstreiten. Er belog sie, vernichtete Spuren, tat alles um diese eine Sünde vergessen zu machen. Aber es war zu spät, denn der Teufel selbst war gekommen, ihn zu holen. Das Buch war nur Mittel zum Zweck.
All das erlebte er in einem stetigen Kreislauf des Leidens. Das Leben im Schnelldurchlauf, jeder Dialog jede Tat. Das was draußen geschah, war ohne Belang... und doch wusste er, dass er sich mit dieser Behauptung selbst belog. Wieder einmal.
Zwei Mächte, die miteinander rangen, sich gegenseitig auszulöschen versuchten. Er hörte die Stimmen, drängte sich dazu, dem Versteck zu entfliehen. Zurück an die Oberfläche, dorthin wo der Hüter, der Wahnsinn regierte. Die Kreatur war angeschlagen, kontrollierte nur mehr einen kleinen Teil...
Es wurde Zeit.
*
Der Schlag traf ihn wie eine Kanonenkugel, ließ alle Bewegungen noch in ihrer Ausführung untergehen und setzten ihn quasi schachmatt. David brach in die Knie und vernahm keine Sekunde später, bereits die triumphierende Stimme Saqurs: „Eine beachtliche Leistung“, höhnte er und kommentierte die langsam verschwindenden Flammen mit einem leisen Lachen. „Ihr dürft stolz sein. Nicht jedem ist die Ehre eines solchen Kampfes gegeben.“
David spuckte Blut. Er hatte das Gefühl als würde ein Tonnengewicht seine Eingeweide zerquetschen. Mehrere Rippen mussten gebrochen sein, und bohrten sich soeben durch alles was lebensnotwendig war. Erst wenn die Lichter ausgehen, wollte er sagen und würgte stattdessen einen dunkelroten Fleischklumpen zu Tage.
„Wisst ihr“, sagte Saqur, „auch wenn man glaubt, alles gesehen zu haben, wird man doch immer wieder aufs Neue überrascht. Die Menschen sind ein rätselhaftes Kind, so voller Widersprüche...“ Er hob eine Augenbraue, neigte den Schädel dabei leicht zur Seite und beäugte ihn, wie ein Raubvogel, den zur Strecke gebrachten Nager. „Was...?“ Etwas stimmte nicht. Er blinzelte verwirrt auf, kam noch ein Stück näher. „Was hat das zu bedeuten?“
Davids rechtes Auge schimmerte in einem seltsamen, klaren Silber. Ein intensives Leuchten, welches sich in kreisenden Wellen über das Gesicht des Dämonenjägers ausbreitete.
Saqur zischte. Er formte seine beiden Hände zu Fäusten und wollte sie niedersausen lassen. „Keine Tricks mehr!“, drohte er und hörte hinter sich plötzlich die unstetigen Schritte eines Dritten. Er wirbelte herum, sah die kraftlose Hülle des Hüters und begann lautstark zu schreien.
David reagierte.
*
„Genug!“ Die donnernde Stimme des Götterwolfes schallte weit über die brennenden Dächer Konstantinopels hinaus und vermengte sich mit den flehentlichen Bitten seiner überfallenen Bewohner.
Der Namenlose hielt mitten in der Bewegung inne. Sein Blick war eisern, ließ keine Regung erkennen. Die Atmung ging gleichmäßig.
Fenrir stieß ein grollendes
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