Dämonentor
inzwischen aus
der Wunde, und ich passe auf, dass sie nicht meine Haut berührt. Wie lange
brauchen unsere Leute eigentlich, um den Anruf zu orten und einen Installateur
vorbeizuschicken? Schätzungsweise mindestens eine Viertelstunde. Vielleicht
kann ich noch irgendetwas anderes tun.
Mit eisernem Griff packt etwas meine linke Fessel und
schmettert mich so hart gegen den Türrahmen, dass mir mein Messer aus der Hand
geschleudert wird. Da legt sich auch schon ein zweiter Tentakel wie ein
Schiffstau um meine Hüfte und drückt zu. Tapfer versucht Mo, mir zur Hilfe zu
kommen, schafft es aber nur, mir aus Versehen einen Kinnhaken zu verpassen.
Kleine Sternchen schwirren ein oder zwei Sekunden lang vor meinen Augen,
während ich mit der linken Hand, die sich wie ein rohes Stück Fleisch anfühlt,
verzweifelt nach meinem Multitool suche. Ich muss doch etwas machen können!
Hätte ich bloß mein Spezialfeuerzeug dabei. Ich greife in die Tasche, und meine
Finger berühren den Palmtop. Okay, das wäre eine Idee.
Das grüne Licht des Displays schimmert in der
Dunkelheit. Irgendetwas reißt an mir, aber es scheint schon viele tausend
Kilometer weit weg zu sein. Piktogramme leuchten, schweben über dem Bildschirm.
Ich berühre eines davon – ein rot durchgestrichenes Ohr. Das Display ist
blutverschmiert, als ich das Geräuscheindämmungsfeld durchschneide und inbrünstig
hoffe, dass es funktioniert.
5
Oger-Realität
Ich komme wieder zu mir. Mein Rücken fühlt sich an,
als ob die gesamte englische Fußballmannschaft von 1966 ihren Freudentanz darauf
getanzt hätte. Mein Knöchel scheint sich um 720 Grad gedreht zu haben und meine
linke Hand unter eine Walze geraten zu sein. Ich öffne die Augen und schaue
mich vorsichtig um. Ich liege mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden im
Treppenhaus, und Mo beugt sich gerade über mich. »Alles klar?«, fragt sie mit
zittriger Stimme.
»Und ich dachte, nach dem Tod seien alle Schmerzen
weg«, ächze ich und blinzle mühsam. Was ist nur mit Mos Bluse passiert? Sie
sieht aus, als hätte sich eine Wieselfamilie darüber hergemacht. »Sie hatte es
länger am Wickel.«
»Sobald Sie es mit dem Messer bearbeitet haben«,
beginnt sie und räuspert sich kurz, »hat es mich losgelassen. Können Sie
aufstehen? Sie haben Ihren Palmtop angemacht, und das Ding löste sich einfach
in Luft auf. Es zog sich hinter die Tür zurück und dann löste es sich
irgendwie auf. Wurde durchsichtig und – verschwand.«
Auf einmal bemerke ich, dass ich in einer Lache aus
dieser klebrigen, schwarzen Flüssigkeit liege. Zum Glück ist es wenigsten kein
menschliches Blut.
Das Licht im Flur funktioniert wieder, und die
Tentakel sind tatsächlich verschwunden. »Mein Handy«, murmele ich und versuche,
mich aufzurichten. »Ich habe es auf die Straße geworfen –«
Mo steht mühsam auf und wankt vor die Haustür. Sie
beugt sich unsicher vor und hebt etwas auf. »Meinen Sie das?«
Nachdem sie zu mir zurückgehumpelt ist, legt sie die
Überreste meines Mobiltelefons vor mir auf den Boden.
»Verdammt. Das hätte die Installateure rufen sollen.«
»Kommen Sie mit zu mir nach oben und sagen Sie mir,
was hier eigentlich los war.« Sie hält inne. »Wenn Sie glauben, dass wir dort
in Sicherheit sind?«
Ich versuche zu lachen, aber ein stechender Schmerz in
der Rippengegend hält mich davon ab. »Ich glaube nicht, dass uns dieses Wesen
so schnell noch einmal einen Besuch abstattet. Ich habe es mit seinem
Eigenvektor bekannt gemacht.«
Wir schleppen uns mühsam die Treppe bis unter das Dach
hinauf. Mo schließt die Tür auf und mehr schlecht als recht schaffe ich es, vor
Schmerzen stöhnend, mich auf ein Sofa zu werfen. Sie schließt die Tür von innen
ab, schiebt einen Riegel vor und sinkt in den Sessel mir gegenüber. »Was zum
Teufel war das?«, will sie wissen und reibt sich vorsichtig den Hals.
»In der Fachsprache nennen wir so etwas eine
unvorhergesehene Realitätsexkursion. Umgangssprachlich wird es aber auch ›Oh
Scheiße‹ genannt.«
»Ja, aber –«
»Erinnern Sie sich, was ich Ihnen vorhin erzählt habe?
Wir leben in einem Everett-Wheeler-Umfeld, in dem alle möglichen
Parallel-Universen existieren. Das Ding war ein Agens, das jemand von weither
beschworen hat, um –«
»Unsere metabolischen Fähigkeiten ins Chaos zu
stürzen«, vollendet sie.
»Ja, so ungefähr.« Ich untersuche meine Rippen und den
Knöchel. Meine Hände zittern, und ich spüre den kalten Schweiß, der mir
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