Daisy Goodwin
und er
nickte. Sie tastete in ihren Taschen nach einem Sixpence. Still legte sie die
Münze in die Hand des Jungen und lief so schnell sie konnte durch den Flur.
KAPITEL 30
Ein
neunhundert Jahre alter Name
Das Baby schlief, Cora lauschte dem
leisen Atmen, während sie den Kinderwagen so vorsichtig sie konnte
über den Kiesweg schob. Sie wollte nicht, dass er jetzt anfing zu weinen.
Nanny Snowden hatte deutlich ihr
Missfallen bekundet, als Cora verkündet hatte, dass sie das Baby zu einem Spaziergang
mitnehmen würde. «Aber Euer Gnaden, der Marquess schläft. Er schläft morgens
um diese Zeit immer.» Doch Cora hatte Guy einfach aus seiner Wiege genommen und
dem Kindermädchen gesagt, sie solle den Kinderwagen bereithalten.
Sie war jetzt am Gartenhaus vorbei
und würde gleich zum Weg gelangen. Sie sah auf und erblickte die Kapelle auf
ihrem Hügel. Der Anblick rief ihr ins Bewusstsein, wie viel sie hinter sich
lassen würde; in diesem kühlen, grauen Gebäude hatte sie so viel Freude und so
viel Enttäuschung empfunden. Sie wollte sich die Kapelle ein letztes Mal
ansehen, aber da stieß Guy einen kleinen Schrei aus, und sie wusste, dass sie
sich beeilen musste, ehe er richtig aufwachte.
Besorgt bewegte sie den Kinderwagen
auf den Weg und schob so gleichmäßig sie konnte. Dies war der Abschnitt ihrer
Reise, der am gefährdetsten war; jeder, der sie vom Haus aus sah, würde sich
wundern, dass die Herzogin sich mit dem Kinderwagen so weit entfernte. Die
Bediensteten würden es ihrer amerikanischen Überspanntheit zuschreiben, aber
wenn Ivo sie sähe, würde er wissen, dass sie floh. Sie versuchte sich damit zu
beruhigen, dass Ivo um diese Zeit immer ausritt, aber sie ging trotzdem
schneller – wenn sie erst die Kuppe des Hügels hinter sich hatte, würde sie vom
Haus aus nicht mehr zu sehen sein. Von der Anhöhe aus erblickte sie die
Torhäuser des Nordtores auf dem nächsten Hügelkamm; in der Senke dazwischen lag
Conger Wood, wo Bertha auf sie wartete.
Cora wusste, dass Bertha nicht
vollkommen glücklich war über diese heimliche Flucht, aber es gab keine andere
Möglichkeit. Sie durfte Ivo nicht noch einmal sehen; sie wusste, dass seine
Gegenwart ihre Entschlossenheit erschüttern würde, und sie wollte nicht weich
werden. Sie war benutzt worden, getäuscht und gedemütigt. Jedes Mal, wenn sie
an die Kette und Charlottes Grübchen dachte, hatte sie das Bedürfnis,
irgendetwas zu zertrümmern. Wie hatte sie bloß vergessen können, dass es immer
nur um ihr Geld ging? Er hatte sie geheiratet, weil sie reich war, und er hatte
sie benutzt, um die Frau zu bestrafen, die er wirklich liebte.
Sie gab dem
Kinderwagen einen solchen Stoß, dass Guy aufwachte und zu wimmern begann. Sie legte
ihre Hand an seine Wange und versuchte ihn zu beruhigen. Beschwichtigt durch
den Klang ihrer Stimme, schloss er seine Augen. Als die Straße wieder bergab
ging, hielt sie den Griff fest. Sie war schon fast bei dem Pfad angekommen, an
dem Bertha auf sie warten würde. Sie spürte, wie an ihrem Rücken
Schweißtropfen hinunterliefen; ihr Haar klebte bereits an ihrem Gesicht. Und
dann trat sie endlich unter das Dach der Bäume und sog die moosige, kühle Luft
des alten Waldes ein. Sie schob den Wagen den grasbewachsenen Pfad entlang,
bis sie den Esel schnauben hörte ...
«Bertha?»,
rief sie.
Bertha kam ihr zu Fuß entgegen. Ihre
Schritte waren langsam, und ihr Gesicht war seltsam geschwollen. Ärger
flackerte in Cora auf. Was tat Bertha sich so wichtig? Nicht sie ließ
schließlich ihre Ehe hinter sich.
«Ich werde Guy halten, und du kannst
fahren, Bertha. Hast du ein paar Sachen für ihn eingepackt?»
«Ich musste
etwas aus der Wäschekammer holen. Ins Kinderzimmer kam ich nicht hinein.»
Bertha klang mürrisch. «Sie sind nicht alle sauber.»
«Das macht nichts, wir können in
London neue kaufen.» Cora versuchte heiter zu klingen. Sie nahm das immer noch
schlafende Baby aus dem Kinderwagen und stieg auf die hintere Bank des
Eselskarrens. Bertha stieg vorne auf und nahm die Zügel. Cora hörte Bertha nach
Luft schnappen. Sie drehte sich um und sah Ivo auf dem Pfad stehen. Er tätschelte
das Maul des Esels.
«Fährst du weg, Cora? Ich glaube
nicht, dass dieser Knabe hier genug Ausdauer hat, dich weit zu bringen. Aber
wie ich sehe, hast du einen Koffer dabei. Vielleicht fährst du ja zum Bahnhof.»
Er trat beiseite, um sie vorbeizulassen. Cora fragte sich, woher er gewusst
hatte, wo er sie finden konnte.
«Nun, ich
halte
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