Daisy Sisters
Fett!«
»Ja, sicher. Ohne Fett …«
Eivor steht in der Küche, bereitet das Essen und schüttelt den Kopf über das absurde Gespräch. Aber gleichzeitig muss sie lachen und denkt, dass das wohl die Art ist, wie sie ihre Gespräche mit Linda zu führen hat. Vielleicht ist das die Logik der neuen Zeit, ein scheinbar bedeutungsloses Geplapper, das plötzlich das Wesentliche einkreist?
In einem Anfall von unerwarteter Hilfsbereitschaft deckt Linda den Abendbrottisch und fängt mit dem Abwasch an.
Eivor macht etwas für sie sehr Ungewohntes. Sie setzt sich einfach an den Esstisch und schaut Linda zu, die unendlich langsam die Teller abtrocknet.
»Was würdest du sagen, wenn ich heirate?«, fragt sie plötzlich.
Linda lässt fast den Teller fallen und starrt sie an.
»Noch einmal«, sagt sie. »Was hast du gesagt?«
»Ich fragte, was du sagen würdest, wenn ich heirate.«
Linda beginnt zu lachen, laut und roh, und geht dann wieder an die Spüle zurück.
»Na?«
Linda wirft wütend eine unschuldige Gabel ins Spülwasser.
»Mama! Sobald ich mit dem Spülen fertig bin, gehe ich! Du musst mich nicht unterhalten, wenn du das denkst.«
»Ich meine das, was ich gesagt habe!«
»Dass du heiratest?«
»Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gefragt, was du dazu sagen würdest. Das ist nicht dasselbe.«
»Mach das nur, dann hast du mich zum letzten Mal gesehen!«
»Was meinst du damit?«
»Genau das, was ich sage. Glaubst du, ich will irgend so einen Scheißkerl im Hause haben?«
»Fluch nicht!«
»Das hast du mir doch beigebracht!«
»Du wohnst ja hier nicht allein.«
»Du wolltest doch wohl eine Antwort. Oder?«
»Schon, aber …«
»Jetzt habe ich geantwortet!«
Das Gespräch bleibt stecken. Nur ein weiterer Kommentar kommt von Linda, als sie in der Tür steht auf dem Weg zu verschwinden. »Du hast das nicht ernst gemeint, nicht?«, fragt sie.
»Nein«, antwortet Eivor erschöpft. »Natürlich nicht.«
»Warum hast du es dann gesagt?«
»Ich weiß nicht …«
»Nein … Ich hau jetzt ab.«
»Ja. Ist gut.«
»Hej …«
Eivor bemerkt jetzt, dass Linda sie dann und wann beobachtet, als ob sie es am besten fände, ihre Mutter unter Bewachung zu stellen. Sie hat einen forschenden, misstrauischen Blick, aber sie sagt nie etwas. Eivor erfährt auch nie, ob sie Staffan darüber informiert hat, welche dunklen Kräfte sich in ihrer Mutter regen.
Diese kleinen, abwartenden Unterströme im Halvarssonschen und Skoglundschen Heim haben sicherlich auch mit der Umwälzung zu tun, die auf Eivors Besuch in Domnarvets Personalbüro folgt. Sie kündigt im Altersheim und findet sich eines Tages im Oktober unter dem Westportal des Eisenwerks ein. An einem frühen Morgen steht sie dort und denkt nervös, dass das, was sie tut, falsch ist, höllisch falsch. Sie hätte bei den alten Arbeiterwitwen bleiben sollen, anstatt an die Tür zu dieser riesenhaften Anlage aus Stahl und Ziegeln zu treten, mit der blauen Flamme, die ständig aus einem der Schornsteine flackert. (Manchmal denkt sie, was für ein unheimlicher Wunsch, die Quelle dieser blauen Flamme zu sehen.) Außer einer kurzen Einweisung in den neuen Arbeitsplatz, die sie in einer glänzenden Broschüre nachlesen konnte – sie erinnert an den Katalog eines Reiseunternehmens –, verdankt sie Liisa alle Informationen darüber, was sie erwartet. Als sie nun an diesem frühen Morgen neben dem Eingangstor steht, immer noch nicht bereit, den letzten Schritt über die Grenze zu tun (sie sieht nur Männer, und bis die erste Frau an ihr vorbeikommt, wartet sie …), wirbeln ihr alle Ermahnungen Liisas durch den Kopf. Die Kerle werden dich herumkommandieren. Es geht nur darum, von Anfang an zurückzugeben! Diese Worte haben sich vor allen anderen in ihrem Gedächtnis festgesetzt. Liisas Erklärung dafür, was es bedeutet, in einem Hebekrankorb zu sitzen.
Zwei Frauen sind an ihr vorbeigeeilt und durch das Portal verschwunden. Jetzt kann sie nicht länger warten. Entweder geht sie hinein, oder sie geht weg. Mit einem Ziehen im Magen überschreitet sie die unsichtbare Grenze und steuert auf das Pförtnerhaus vor dem Eingang zu. Vage erinnert sie sich an einen anderen Eingang, vor Konstsilke in Borås, und sie zuckt zusammen, als ihr bewusst wird, dass das zwanzig Jahre her ist.
Obwohl Eivor es sich nie gestattet hat, sich bei jemand auszuweinen, ist doch die nun folgende Zeit ein Zustand an der Grenze zur Hölle für sie geworden. Das ist nicht verwunderlich, da sie
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