Daisy Sisters
Schlacht überhaupt begonnen hat. Beide sind in den Dreißigern, und der eine befindet sich in der seltenen Situation, keinen Spitznamen zu haben. Er heißt kurz und bündig Göran Svedberg und pendelt zwischen Borlänge und Dala-Järna, wo er seine Familie hat. Er ist schweigsam und lässt niemanden an sich heran. Der andere wird Makadam genannt, und es gibt niemanden, der den Ursprung für diesen Spitznamen kennt. »Möglicherweise seine Unart, mit den Zähnen zu knirschen«, philosophiert Albin. »Aber das weiß man nicht so genau …«
»Ja, ich heiße also Eivor Skoglund«, sagt sie und nickt den Männern zu, die da in ihren Overalls sitzen und sie betrachten.
»Verheiratet mit Nacka?«, fragt Holmsund und schaut von seinen zitternden Händen auf. Das versteht sie, denNamen hat sie schon mal gehört! Ein Fußballspieler aus Söder, der den gleichen Nachnamen hat wie sie.
»Jetzt nicht mehr«, versucht sie es, und Holmsund zieht interessiert eine Augenbraue hoch. Eivor hat das Gefühl, dass die Antwort gut war, sie hat es gemacht, wie Liisa es ihr geraten hat. Sie hat zurückgebissen.
»Aber jetzt musst du in deinen Umkleideraum gehen«, sagt Albin und hält sie die ganze Zeit mit seiner mageren Hand am Arm. »Jetzt muss Makadam nämlich seinen Overall anziehen, und er mag es nicht, dass jemand seine Unterhosen sieht.«
»Halt’s Maul«, sagt Makadam. »Sonst nehm ich dir deine Zähne weg.«
Eivor wendet sich zur Tür, um zu gehen, und starrt direkt auf ein Poster, wo eine dicke Frau ihre Beine spreizt. Sie fühlt die Blicke der Männer im Rücken und geht hinaus. Sie meint, dass sie jemand aus dem Raum, den sie gerade verlassen hat, »Fotze« rufen hört, und geht zum Umkleideraum für Frauen, wo sie zum ersten Mal Ann-Sofi Lundmark trifft, die dasitzt und auf ihren Bauch starrt …
Inzwischen ist eine Woche vergangen, und Albin, der es eilig hat, nach Hause zu kommen zu den vielen Aufgaben des Freitagabends: Rasen mähen, Auto reparieren – Eivor hat schon alles während der Kaffeepausen erfahren –, nimmt sich Zeit, sie zu fragen, ob sie meint, dass es bei ihr klappt. Als sie ihn allein trifft, ohne die Gruppe, in der er sich behaupten muss, merkt sie, was ihr schon so oft in ihrem Leben an Männern aufgefallen ist: Außerhalb ihres geschlossenen männlichen Reviers sind sie verändert. Gewiss hat Albin es eilig, gewiss schmatzt er ungeduldig mit seinen Zähnen, aber seine laute und beschäftigte Haltung ist einer leiseren Variante gewichen, die, wie Eivor findet, besser zu ihm passt.
»Was meinst du?«, stellt sie die Gegenfrage.
»Bisschen langsam«, antwortet er. »Bisschen zaghaft. Aber nicht schlecht. Du gewöhnst dich schon noch daran. Dann hast du es schön da oben, wenn nicht so viel zu tun ist. Die meisten Wei… die meisten stricken. Ich brauche übrigens neue Handschuhe für den Winter. Nur, dass du es weißt.«
»Und sonst?«
»Was sonst? Das regelt sich schon, wie der sagte, der in der Gaskammer saß. Geh jetzt nach Hause zu deinem Alten!«
»Ich bin geschieden!«
»Dann geh nach Brage zum Tanzen!«
»Nein, danke.«
»Tja, dann weiß ich auch nicht. Aber ich geh jetzt. Da ist schon wieder was mit diesem verdammten Auspuff nicht in Ordnung. Aber diesmal muss es mit Apothekenzement gehen. Niemand hat in diesen Zeiten Geld für einen neuen Auspuff …«
Und dann ist er fort, und Eivor kann hinausgehen, die kühle Oktoberluft in die Lungen ziehen und das Dröhnen des Stahlwerks hinter sich lassen. Auf dem Heimweg bleibt sie an der Eisenwarenhandlung stehen und kauft ein Kettenschloss für ihr Fahrrad. Eigentlich wollte sie auch Lebensmittel fürs Wochenende kaufen, aber sie entschließt sich, das auf den nächsten Tag zu verschieben, sie ist einfach zu müde.
Sie radelt heim und fragt sich, was sie eigentlich den ganzen Tag tut. Den Kran zu bedienen, der unter der Decke entlanggleitet, so viel ist klar; sie transportiert und schafft die ausgewalzten Bleche hin und her, rückt sie zurecht und bringt sie an die richtige Stelle. Aber was soll aus den großen Stücken werden, die in regelmäßigen Abständen ausgewalzt sind – worin liegt der Wert all dieses Blechs? Werden es Seitenteile für Boote? Oder gehen sie zur weiteren Bearbeitung in die Industrie? Sie denkt, dass es so ähnlich ist wie damalsvor langer Zeit, als sie in der dröhnenden Halle von Konstsilke stand und Zwirnmaschinen geladen hat. Dass sie an einem kleinen Teil eines größeren Prozesses teilhat, den sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher