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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Gegenmitteln.
    »Jetzt musst du das Maul aufmachen«, sagt Rut und tritt nach der Katze, die wieder auf dem Weg zurück unters Bett ist, wo sie ihr unterirdisches Leben lebt.
    Als Elna sagt, wie es ist, und Ruts Verdacht sich bestätigt, beginnt Elna zu weinen. Rut zieht eine Grimasse, Weinen schmeckt schlecht, denn Weinen ist so verdammt wahr, das einzig richtig Wahre. Sie weiß es, sie hat sieben Kinder geboren, und nur eins ist begraben. Aber die vier, die sie nicht bei sich zu Hause hat, vermisst sie, sie sind adoptiert worden, sie weiß nicht, wohin. Sieben Kinder von fünf verschiedenen Vätern. Nur die beiden Mädchen haben denselben Vater. Aber wie viele Abtreibungen und Fehlgeburten sie hatte, daran erinnert sie sich kaum. Nicht weniger als acht in jedem Fall. Und jetzt ist sie so zerfetzt am Gebärmutterhals, dass sie keine mehr bekommen kann, Gott sei Dank. Jedenfalls hat sie überlebt. Die Arbeit in der Brauerei hat sie nicht mehr, da wurde sie gefeuert, als sie sich eines Tages betrunken an der Abfüllung einfand, mit Erbrochenem am ganzen Körper. Es hat gestunken wie schon ihr ganzes Leben lang, ein Gestank, der nie mehr verschwindet, den sie schon lange nicht mehr bekämpft. Jetzt hat sie nur noch eins im Kopf, die beiden Kleinen zu versorgen, damit die Behörden sie ihr nicht auch noch wegnehmen. Aber manchmal fragt sie sich,ob der Gestank dieses Lebens ihr nicht auch noch in den Sarg folgt. Davor hat sie Angst, deswegen kann sie einen Anfall bekommen, wenn sie zu viel getrunken hat, und jeden, der es hören will, bittet und bettelt, dass sie verbrannt wird, wenn sie stirbt. Sie hält den Gedanken nicht aus, dass sie den Gestank mit in die Kiste nehmen wird.
    Das ist es in etwa, was Rut, die kluge Hure, sagt. Schwanger zu sein ist für Elna wie eine ernste Krankheit. Und Krankheiten sollen verschwinden.
    »Es gibt so viele Arten«, sagt Rut, als Elna aufhört zu weinen. »Es gibt so viele, weil niemand sicher ist. Für den einen können ein paar Chininkapseln und ein ordentliches Glas Branntwein genügen, damit das Kind verschwindet. Oder etwas Quecke, vermischt mit Mandelmasse … Medikamente gibt es natürlich auch, aber da braucht man ein Rezept, Mangan, Teton, wie das Zeug alles heißt, und welcher Arzt schreibt das auf, statt die Polizei zu rufen? Aber nichts ist sicher; was dem einen hilft, nützt bei dem andern gar nichts. Wie weit bist du, Kleine? Einen Monat? Na, da ist es nicht so schlimm. Weißt du, wo die Österportsgata liegt?«
    Nein, Elna weiß es nicht, Rut muss es ihr erklären. »Den Hügel hinauf, vorbei an dem Schuppen, wo es nach Naphtalin riecht, dann nach links und dann wieder nach rechts. Johansson steht an der Tür, Eingang im Hof, schell dreimal lang und zweimal kurz. Ich war selbst bei ihm, und da ging es gut. Aber pass auf, dass er sich die Hände wäscht und nicht zu betrunken ist. Du kannst nicht damit rechnen, dass er je nüchtern ist, lass ihn die Augen schließen und die Zeigefinger zusammenführen. Schafft er das nicht, musst du wieder gehen. Was es kostet? Das ist unterschiedlich.«
    Sie weiß es durchaus, will das Mädchen aber nicht unnötig erschrecken. Schnell genug wird sie das selbst herausfinden, Johansson und seine Launen. Und warum sie unnötigängstigen, indem man ihr sagt, dass es so furchtbar weh tut, besonders wenn sie vorher noch nicht geboren hat. Nein, warum soll sie den Schmerz noch schlimmer machen? Die unglückliche Kleine hier muss es wohl selbst erfahren, wie alle anderen.
    Möge es nun gut gehen. Denn selbst das ist ja nicht sicher. Es kann eine Infektion geben und eine Vereiterung, der Tod lauert immer im Hintergrund, wenn der Fötus heimlich abgetrieben wird. Wenn nur ein einziger Herr dort oben, Politiker, Pastor, Tambourmajor, was auch immer, selbst erfahren müsste, wie das ist. Ausgestreckt auf einem schmierigen Tisch, die Beine auseinander, ein zitternder Säufer, der versucht, eine schmutzige Sonde richtig einzuführen … Wenn, wenn! Da würde es nicht so wie jetzt aussehen. Dass Kinder unter Schmerzen geboren werden müssen, ist eine Sache. Aber dass man stirbt oder innerlich verfault, bloß weil ein erbärmlicher Kerl sich nicht zurückhalten oder ihn rechtzeitig herausziehen kann, darum geht es. Darin liegt die Bedeutung des Gesetzes gegen Abtreibung.
    »Danke für die Hilfe? Warum solltest du dich bedanken? Hast du denn Geld? Verschwinde jetzt, und denk daran, links und dann wieder rechts, dreimal lang und zweimal kurz. Schell

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