Damenschneider
Stockwerk höher fortgesetzt werden müsse, was mit einem unfreundlichen Murren quittiert wurde.
Gerade als er zu Neuhold zurückkehren wollte, erreichte ihn eine SMS von Schwester Helga, in der sie ihm den Namen der an der Operation verstorbenen Frau mitteilte.
Ihr Name war Irmgard Rost, und es dauerte einige Zeit, bis Walz realisierte, dass es sich bei der Toten um die Mutter des Countertenors Florian Rost handelte.
Nachdem er wieder im Wohnzimmer Platz genommen hatte, beschloss er, sein neu erworbenes Wissen sogleich zu nutzen.
»Wir haben auch allen Grund zur Annahme, dass Sie Herrn Bilovic bei seinen Operationen assistiert haben«, sagte er ruhig. »Waren Sie eigentlich auch bei der Operation dabei, als sich der Todesfall von Frau Rost ereignete?«
Ihre Reaktion war überraschend.
Zuerst schaute sie ihren Peiniger entsetzt an, hielt sich die Ohren zu, um dann einen so markerschütternd lauten Schrei auszustoßen, dass seine Kollegen ins Zimmer stürmten. Nach einer beschwichtigenden Handbewegung von Walz zogen sich diese jedoch sogleich wieder zurück. Neuholds Schreien, offensichtlich das Ergebnis eines Nervenzusammenbruchs, hatte sich unterdessen in einen verzweifelten Weinkrampf verwandelt.
Das Ganze war definitiv zu viel für sie.
Und Walz hatte ein schlechtes Gewissen.
Nach einiger Zeit, während der er das zitternde Wesen zu trösten versuchte und beständig auf sie einredete, ja, ihr zuletzt sogar übers Haar fuhr, hatte sie sich immerhin so weit beruhigt, dass er sie in ein Taxi setzen konnte. Einen von dem Inspektor vorgeschlagenen ärztlichen Beistand hatte sie strikt abgelehnt.
Da Walz ohnehin den ganzen Tag nach einem sachlichen Grund für einen Telefonanruf mit Clara gesucht hatte, kam ihm die plötzliche Wendung des Geschehens gar nicht ungelegen.
Allerdings verlief das Gespräch etwas anders, als er es sich eigentlich erhofft hatte. Erst nachdem er ihr die Wichtigkeit eines Treffens nachdrücklich klar gemacht hatte, schlug sie schließlich »Kruger’s American Bar« in der Inneren Stadt vor. Ihre zögerliche Zusage begründete sie im Übrigen mit ihrer »großen Müdigkeit«, die sie nach einem langen Arbeitstag befallen hätte.
Da er sich noch einen Eindruck von dem Operationssaal machen wollte, der Schlüssel war unterdessen gefunden worden, schlug er ihr vor, sie etwa eine Stunde später, also um 21 Uhr 30, dort zu treffen.
Dem Raum, zu dem er einen Kollegen der Spurensicherung mitgenommen hatte, merkte man an, dass hier nicht die Sauberkeit herrschte, die man von einem OP erwartete. Offensichtlich war er nach dem letzten Eingriff nur oberflächlich gereinigt worden. Zudem herrschte hier ein Gestank nach Fäkalien und Erbrochenem, der einem fast den Atem raubte.
»Und nach was sollen wir in diesem Durcheinander deiner Meinung nach suchen?«, fragte der Beamte mit von Ekel verzogener Miene.
»Wenn ich das wüsste …«, sagte Walz ratlos. »Also gut, wir versiegeln die Tür und warten erst einmal den Bericht vom Nekro ab.«
»Wird gemacht, Chef«, sagte der Kollege freudig überrascht, »in der Sauerei hier findest du Tausende Spuren, und wenn du nicht weißt, nach was du suchen sollst, wirst wahnsinnig«, fügte er erklärend hinzu. »Außerdem wären wir dann bis morgen früh beschäftigt. Aber wir kommen wieder!«, schloss er schwungvoll und zog sichtlich erleichtert von dannen.
Angesichts der unvermutet gewonnenen Zeit beschloss Walz, dem das Ganze auf den Magen geschlagen war, vor dem Besuch der stilvollen Bar, die sich in der unmittelbaren Umgebung befand, noch einen kleinen Umweg über den Würstelstand hinter der Oper zu machen, um sich zuvor mit einer Käsekrainer zu stärken.
Schon bald darauf betrat er dann die wohl schönste Bar, die in Wien zu finden ist.
Nachdem er seinen Mantel in der Garderobe abgegeben hatte und feststellen musste, dass Clara noch nicht da war, versenkte er sich in einen der bequemen Ledersessel und erholte sich unter Zuhilfenahme eines zwölfjährigen »Macallans« von den jüngsten Geschehnissen.
Denn Walz gehörte keineswegs zu den hartgesottenen Polizisten, die die Begegnung mit einem Toten und seinen Hinterbliebenen unberührt lässt. Zudem war er noch nicht allzu oft mit Mordgeschichten konfrontiert gewesen, da er bis zur kürzlich erfolgten Polizeireform in der Hauptsache mit der Bearbeitung leichterer Verbrechen beschäftigt gewesen war.
Er bestellte sich gerade seinen zweiten Whisky, als Clara die Bar betrat. Da sie ihn
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