Damenschneider
seines Lebens grübelte, betrat Hawranek das Zimmer.
»Hallo, Mimi. Danke für die schnelle Erledigung.«
»Was willst denn mit dem vielen Papier?«, fragte sie verwundert, während sie einen Stapel Zeitungen auf den Schreibtisch legte. »Sucht ihr nach weiteren Fototätern?«
»Nein, Befehl von ganz oben. Hast du heute schon Zeitung gelesen?«
»Nur die von der U-Bahn. Ich hab’ sie dir dazu gelegt. Hast du schon von der Geschichte mit dem serbischen Krankenpfleger gehört? Was es alles gibt …«
»Genau deshalb brauche ich ja die Zeitungen. Ich war es, der ihn gestern gefunden hat!«
»Du?«, fragte sie überrascht. »Erzähl doch!«
»Keine Zeit«, sagte Walz ungeduldig. »Der Heider persönlich hat mich angerufen, dass wir den Fall übernehmen müssen.«
»Na, dann viel Spaß! Bei dem Rummel könnt ihr berühmt werden. Schau nur«, sagte Mimi, während sie die U-Bahn-Zeitung vom Stapel nahm und von der Titelseite ablas. »Betrügerischer Krankenpfleger beim Liebesspiel ermordet!«
»Na, so genau wollte ich es eigentlich gar nicht wissen«, brummte Walz, während er nach dem Stapel griff. »Hoffentlich gibt es nicht auch noch ein Leserfoto von der G’schicht …«
Als er in einer der wenigen seriösen Tageszeitungen las, dass »die Gesundheitsstadträtin angesichts dieses Skandals, wenn sie nur einen Funken Anstand besäße, sofort zurücktreten« müsste, wurde ihm klar, dass es nicht alleine am Busen seiner Frau lag, dass Heider dem Fall eine so hohe Priorität einräumte, war doch die Politikerin eine Parteifreundin des höchsten Polizisten.
Unterdessen war auch schon Vogel eingetroffen, der auf diese Nachricht geradezu euphorisch reagierte.
»Das ist doch wundervoll, Alfons. Keine tägliche Fron mit den Kleinkriminellen mehr, sondern etwas wirklich Essentielles. Wir werden berühmt, o du mein Walz – und Chefinspektor noch dazu. Was dazu wohl meine Martina sagen wird …«, fügte er schwärmerisch hinzu.
»Für einen kurzen Moment habe ich doch tatsächlich geglaubt, du meinst es ernst«, sagte Walz kopfschüttelnd, »also, wie verwerten wir diese Chance unseres Lebens am klügsten?«
»Das Zielführendste wäre wohl die nähere Inspizierung des uns bekannten nahen Umfelds unseres Verblichenen«, antwortete Vogel eifrig. »Da wäre einmal Schwester Sabine, verlassen und dadurch an chronischer Migräne leidend, Schwester Esther, nicht verlassen, aber überraschend quasi verwitwet, dein Ex-Schwarm Elisabeth Marthaler – und, so leid es mir auch tut, deine aktuelle Lieblingsfrau Clara und natürlich noch der singende Sohn der Dahingegangenen. Wenn wir die abgearbeitet haben und zu keinem Ergebnis gekommen sind, was Gott verhüten mag, müssen wir uns wohl in die Untiefen des alten Kronlandes Serbien begeben. Von dort kamen ja auch schon ganz andere Mörder.«
»Wer sagt eigentlich, dass es überhaupt ein Mord war? Das behauptet bislang nur unser U-Bahn-Blatt. Als ich ihn gefunden habe, lag er jedenfalls ganz friedlich in seinem Bett. Das einzig Merkwürdige daran ist, dass die Spurensicherung Schleifspuren im Stiegenhaus gefunden hat, die darauf hinweisen, dass er nicht am Fundort, sondern im OP gestorben ist. Vielleicht hat er ja bei dem einen oder anderen Doktorspielchen sein Herz überfordert, ist im schönsten Augenblick entseelt gleich im Garten der Lüste geblieben. Und die Frau, wenn es denn eine war, hat sich nach allzu gründlicher Arbeit aus verständlichen Gründen davon gemacht. Auch das gibt’s.«
»Mit Verlaub, o du mein Walz, und nachdem er glücklich sein Leben ausgehaucht hatte, hat die Frau, oder von mir aus auch der Mann, den Verblichenen unter die Arme gefasst, ihn in sein Bettchen getragen, ihn schön zugedeckt, damit er nicht friert, und ist dann in den OP zurückgegangen und hat ein bisserl sauber gemacht? Aber nicht zu viel, weil die Putzfrau ja eh bald kommt. Also bitte, so werden wir niemals berühmt … Hören wir uns doch einfach einmal an, was unser geschätzter Nekro inzwischen herausgefunden hat«, sagte Vogel, während er den Telefonhörer abnahm.
Der Gerichtsmediziner hatte seine Arbeit schon abgeschlossen und war zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass Bilovic in der Nacht zum Mittwoch an einer akuten Vergiftung verstorben war. Welcher Art diese war, konnte er noch nicht mit Bestimmtheit sagen, wahrscheinlich handelte es sich aber um eine Infektion durch Staphylokokken. Die Dosierung des Giftes war allerdings so hoch gewesen, dass eine natürliche
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