Damenschneider
dem Ausdruck tiefen Bedauerns, während er seine Dienstmarke zückte, »aber wir interessieren uns für Ihren Kollegen Bilovic und hätten gerne einige Informationen von Ihnen.«
Ihr ohnedies leidendes Gesicht verzerrte sich schmerzhaft.
»Ja, bitte kommen Sie doch weiter«, sagte sie leise, und führte den Inspektor in ihr Wohnzimmer. Durch die zugezogenen Vorhänge drang nur mehr wenig von dem ohnehin schwachen Tageslicht herein.
»Wenn Sie erlauben, mache ich kein Licht, ich habe fürchterliche Migräne«, flüsterte sie und bot ihm einen Platz auf einem weißen Rohrsessel an, der zu einer gleich gestalteten Sitzgruppe gehörte.
»Das tut mir leid. Ich will Sie auch gar nicht lange behelligen und habe nur ein paar Fragen an Sie. Wir hätten dazu lieber Herrn Bilovic persönlich befragt, aber der ist heute nicht im Dienst erschienen und ist auch telefonisch nicht zu erreichen. Wissen Sie vielleicht, wo er ist?«
Verstört schaute sie ihn an.
»Bojan? Nein, keine Ahnung.«
»Aber nach unserem Kenntnisstand unterhalten sie doch eine enge Beziehung zu ihm.«
»Nein, nein«, sagte sie leise, »das ist schon lange vorbei …«
Angesichts des Zustands seines Gegenübers und der Gefahr, dass Bilovic dann möglicherweise vorgewarnt würde, beschloss Walz kurzfristig, ihr keine Fragen bezüglich der Nebentätigkeit ihres ehemaligen Liebhabers zu stellen.
So schaute sie nicht wenig verwundert, als sich Walz nach dieser dürren Auskunft sogleich wieder verabschiedete.
Seine Hoffnung auf einen freien Abend hatte sich damit zerschlagen.
Als Vogel etwas verspätet am vereinbarten Treffpunkt eintraf, war Walz nicht wenig erstaunt, denn sein Kollege kam nicht alleine.
»Lässt du dich jetzt zum Hundeführer ausbilden?«, fragte er, während er sich der heftigen Begrüßung von Emily zu erwehren suchte.
»Hast du die aktuelle Verordnung bezüglich der Hundestaffel noch nicht gelesen? Die Tiere sind seit Neuestem in erster Linie nach ihrer Schnelligkeit auszusuchen, alle anderen Eigenschaften, wie Gehorsam, Schussfestigkeit und Wachsamkeit, sind dem unterzuordnen«, antwortete Vogel gut gelaunt, während er vergeblich versuchte, seinen Hund davon abzubringen, den Freund überschwänglich zu begrüßen.
Nachdem sich das Tier etwas beruhigt hatte, schaute Walz seinen Kollegen fragend an.
»Sie ist wirklich ein schönes Tier«, sagte er, während er dem Windhund zärtlich über den Kopf fuhr, »aber wie stellst du dir das jetzt vor? Wir gehen hinauf zum Bilovic und konfrontieren ihn mit den wüstesten Anschuldigungen, während deine Emily ihm gleichsam zum Trost die Hand schleckt … Kannst sie nicht wenigstens im Auto lassen?«
»Das geht leider auch nicht. Sie hat fürchterliche Angst, wenn sie alleine bleibt, und tobt dann wie eine Verrückte. Ich glaube, das hält meine Lederpolsterung nicht aus.«
»Na gut, dann gehe ich halt alleine zu ihm rein, du bleibst aber in Rufweite im Stiegenhaus.«
Nachdem sie sich dahingehend geeinigt hatten, drückten sie an der Eingangstüre den Klingelknopf, an dem lediglich die Türnummer, aber kein Name angegeben war.
Als sich auch nach abermaligem Läuten nichts rührte und die beiden gerade weggehen wollten, gesellte sich plötzlich eine attraktive Dame jüngeren Alters zu ihnen, der die Herrn bereitwillig Platz machten, da sie mit gezücktem Schlüssel gerade Anstalten dazu machte, das Haustor aufzuschließen.
Ihr zuerst an den Tag gelegtes Misstrauen wich sogleich, als Emily sie stürmisch begrüßte. Nach einem typischen Wortwechsel unter Hundefreunden nach Alter, Geschlecht und Rasse, ließ sie die Herren freundlich eintreten.
Trotz der höflichen Einladung lehnten die Inspektoren eine Mitfahrt in dem altertümlichen Lift ab. Weder Vogel noch Walz, von Emily ganz zu schweigen, verspürten allzu große Lust, die Zuverlässigkeit der viel beschworenen österreichischen Ingenieurskunst aus der Kaiserzeit einem Belastungstest auszusetzen.
Leider befand sich die gesuchte Wohnung im obersten Stockwerk, das zwar namentlich das vierte war, jedoch durch das so genannte »Hochparterre« und »Mezzanin« eigentlich die sechste Etage darstellte.
Der Einzige, der Freude an dieser Bewegung hatte, war naturgemäß der Windhund. Als sie jedoch vor der Wohnungstüre angekommen waren, veränderte sich das Verhalten des Tieres schlagartig. Emily, die ihrem freundlichen Naturell folgend ständig mit dem Schwanz gewedelt hatte, erstarrte mit einem Mal und stellte ängstlich piensend ihre
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