Damian
dachte ihr Expertenteam wäre größer, Professor und vor allem älter und erfahrener“, hört Rachel Cunningham sagen, während sie bemüht ist ihr Missgeschick zu verbergen. „Nun, Rachel mag Ihnen vielleicht zu jung erscheinen, um Erfahrung in altägyptischer Geschichte zu haben, aber sie ist eine exzellente Fotografin und sie hat ein unglaubliches Talent im Interpretieren von Hieroglyphen. Außerdem ist sie außergewöhnlich intelligent und fleißig.“ Rubins schenkt ihr ein aufmunterndes Lächeln, während Cunningham sie etwas abschätzend aus seinen dunklen Augen ansieht. Rachel sieht verlegen auf ihren Teller und ordnet ihre Serviette.
„Ich denke, ich kann dem Professor eine große Hilfe sein und bin sehr motiviert unser Projekt zu einem Erfolg zu führen“, gibt sie trotzig zurück und ist sich der Schärfe ihrer Worte durchaus bewusst. Professor Rubins nickt ihr bestätigend zu, während Cunningham sie weiterhin mit unbewegter Miene anstarrt. Dieser Blick aus seinen dunklen Augen beginnt sie nervös zu machen und während der Professor munter weiter plaudert und Cunningham kurze, knappe Antworten gibt und beiläufige Bemerkungen macht, wird das Hauptgericht serviert.
„Das Lamm ist vorzüglich. Wohnen Sie das ganze Jahr hier in Luxor?“, erkundigt sich Rubins zwischen zwei Bissen bei seinem Gastgeber.
„Nein. Die meiste Zeit halte ich mich in den USA auf“, antwortet dieser ohne den Blick von Rachel abzuwenden.
„Lebt ihre Familie in den Staaten?“, mischt sich Rachel in das Gespräch ein, um mehr über den Mann ihr gegenüber herauszufinden.
„Außer meinem Großvater gibt es keine Familie. Ich lebe allein“, ist die knappe Antwort. Rachel wird das Gefühl nicht los, als würde Cunningham so wenig wie nur irgend möglich von sich preisgeben wollen. Während Rubins weiterhin ungeniert versucht mit Cunningham zu plaudern und dabei das Gespräch immer wieder auf den eigentlichen Grund der Reise lenkt, beschleicht Rachel zunehmend ein unbehagliches Gefühl. Ihr Gastgeber scheint irgendetwas verbergen zu wollen. Sie kann noch nicht genau sagen, warum sie dieses unangenehme Gefühl verspürt, aber der Blick in seine dunklen Augen und der gänzlich emotionslose Ausdruck in seinem Gesicht, lassen ihr die feinen Härchen im Nacken nach oben stehen. Irgendetwas stimmt mit diesem Mann nicht und Rachel ist mehr als neugierig, was es wohl sein mag, dass ihn so mysteriös erscheinen lässt. Und es gibt bisher kein Rätsel, das sie nicht lösen konnte.
Vermutlich ist es ihr Parfüm, das den Raum plötzlich zu erfüllen scheint. Dieser Duft lässt ihn nicht zur Ruhe kommen. Immer wieder atmet er ihn unbemerkt tief ein. Warum nimmt er ihn so intensiv wahr? Er kann nicht aufhören sie anzustarren. Immer wieder treffen sich ihre Blicke. Ihre Augen sind wunderschön. Wenn er nur wüsste, welche Farbe sie haben. Was will sie hier? Was hat sie hier mit diesem alten Kautz verloren? Damian kann sich nicht vorstellen, dass so ein junges Ding irgendwie von Nutzen sein kann. Sie ist unerfahren und die Vorstellung, dass diese zierliche Person den Strapazen in der Wüste und der Arbeit in den Gewölben seines Hauses gewachsen sein könnte, lässt ihn innerlich auflachen. Wie lange ist es her, dass er sich mehr als ein paar Minuten für eine Frau interessiert hat? Jahrzehnte? Auf jeden Fall. Ein Jahrhundert? Möglich.
Er ist abgestumpft, nichts interessiert ihn mehr. Er fühlt sich ausgebrannt und leer. Er ist eine lebende Hülle geworden und diese dunkle Leere in ihm beginnt ihn allmählich vollkommen auszufüllen, ja fast zu verschlingen. Ihre Stimme. Sie ist…hell und rein. Warum fällt ihm das auf? Er hat nie etwas auf Stimmen gegeben. Und dann die Art, wie sie isst. Wie ihre Lippen die Gabel berühren, um die Speisen abzustreifen. Damian schüttelt unmerklich den Kopf. Wovon redet der Alte? Ja, die Ausgrabungsstätten. Ja, ja, morgen.
Rachel. Ein schöner Name. Passt zu ihr. Warum hat sie so heftig auf seine Berührung reagiert? Spürt sie etwas? Nein. Das kann nicht sein. Niemand konnte bisher beim ersten Kennenlernen und bei der ersten flüchtigen Berührung erkennen, mit wem er es hier zu tun hat. Sie ist intelligent, sagte der Professor. Sie wird schnell eins und eins zusammenzählen und dann die richtigen Schlüsse ziehen können. Aber oft sind es gerade die rationell und logisch Denkenden, die, die alles wissenschaftlich betrachten, die niemals in Betracht ziehen, dass seine Art tatsächlich
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