Damian
gefesselt, glaubt Rachel daran, sich bei ihrem kurzen Aufenthalt in dieses Land verlieben zu können. Immer wieder sieht sie Menschen am Straßenrand, die stehenbleiben und winken und immer wieder werfen sie dem vorbeirasenden Wagen ein Lächeln hinterher. Natürlich entgehen Rachel auch nicht die Frauen, die in schwarze Gewänder gehüllt am Straßenrand entlanggehen oder vor ihren einfachen Häusern fegen oder das Vieh zusammentreiben. Rachel erkennt schon während dieser kurzen Fahrt vom Flughafen zu Cunninghams Anwesen, dass Ägypten so ganz anders ist, als sie es sich vorgestellt hat. Ihr wird zunehmend bewusst, dass sie sich in einem ihr vollkommen fremden Land mit einer Jahrtausende alten Tradition und Kultur befindet. Wird sie sich an die fremden Gebräuche und Sitten gewöhnen? Gibt ihr die wenige Zeit, die sie hier sein werden, überhaupt Gelegenheit mehr über dieses Land und deren Menschen zu erfahren? Rachel blickt weiter aus dem Fenster und träumt davon, wie schön es doch wäre, wenn sie mehr Zeit hätte, um dieses faszinierende Land und deren Menschen näher kennenzulernen.
Die Fahrt dauert ungefähr eine halbe Stunde und die Sonne wirft ihre allerletzten Strahlen über den Horizont, als sie auf das Anwesen weitab der Stadt zufahren. Das Haus steht etwas erhaben auf einem kleinen Hügel, umgeben von Palmen. Es hat weiß getünchte Wände und ist von einer Mauer aus Naturstein umgeben, die den Blick auf mehr bedauerlicherweise einschränkt. Unterhalb dieses Hügels befindet sich ein Dorf mit vielleicht zehn bis zwölf sehr einfachen Steinhütten. Als sie durch den Ort gefahren sind, glaubt Rachel gesehen zu haben, dass Steinmetze sich hier angesiedelt haben. Der Weg hinauf zu ihrem Domizil ist nicht mehr als ein Schotterweg und die Gegend ringsumher ist geprägt von kahlem Sandstein, Geröll und einigen wenigen Sträuchern, die der kargen Natur zu trotzen scheinen. Der Wagen biegt schließlich nach rechts ab und fährt durch ein Tor, das sich wie von Geisterhand vor ihnen geöffnet hat. Essam hält in einer Einfahrt, direkt vor dem Hauptportal des Hauses. Die Gegensätze zu dem, was sich außerhalb der Mauer befindet könnten nicht größer sein. Das Haus ist umgeben von Palmen, blühendem Oleander und Hibiskus Büschen. Die Gartenanlage ist äußerst gepflegt und Rachel bestaunt die wunderbare Vielfalt der blühenden Kakteen, die den Weg zu ihrer Linken säumen, während betörend duftender Lavendel auf der rechten Seite des Weges angeordnet ist.
„Wunderbar. Wirklich, ganz außerordentlich geschmackvoll“, bemerkt der Professor ebenfalls beeindruckt, als sie sich dem Portal nähern. Der Eingang zum Haus wird bestimmt von zwei großen Säulen, die Rachel an Bilder von alten, ägyptischen Tempelanlagen erinnern. Rachel betrachtet die Säulen genauer: sie sind aus fein poliertem, weißem Marmor und über und über verziert mit filigranen, altägyptischen Zeichnungen und Hieroglyphen. Zur ihrer Linken befindet sich eine Horusstatue, die Rachel deutlich überragt und ebenfalls aus poliertem Marmor besteht. Rubins hat seine Brille auf der Nase zurechtgerückt und betrachtet neugierig eine Anubisstatue, die mindestens zwei Meter hoch sein muss, und der düstere Blick den der Schakal ähnliche Gott auf sie herab wirft, wirkt fast einschüchternd, weiß Rachel doch nur allzu gut, dass Anubis der Totengott des Alten Ägypten ist. Rachel bemüht sich ihr Staunen nicht allzu offen zu zeigen und folgt Essam ins kühle Innere des Hauses. Auch wenn sie den Rest des Hauses noch nicht gesehen hat, kann sie jetzt bereits eine Feststellung uneingeschränkt machen: Mr. Cunningham scheint sehr wohlhabend zu sein und hat offensichtlich kein Problem damit, dies auch nach außen zu zeigen. Arm und Reich liegen hier in Luxor offenbar nah beieinander.
Ein junger Ägypter in weißem Kaftan kommt ihnen im Innenhof des Anwesens eilig entgegengelaufen, um sie mit einem Lächeln zu begrüßen und sich um das Gepäck zu kümmern.
„Sedi zeigt Ihnen jetzt Ihre Zimmer. Sie wollen sich sicher etwas frisch machen. Mr. Cunningham wird Sie dann beim Abendessen um neunzehn Uhr empfangen. Ich verabschiede mich zunächst. Wir sehen uns morgen früh wieder. Ich werde Sie dann an die besagte Stelle fahren.“ Damit verbeugt sich Essam und lächelt den beiden noch einmal zu, bevor er das Haus verlässt. Sedi macht eine entsprechende Geste und Rachel und Rubins folgen ihm. Das Haus ist prachtvoll. Der Innenhof wird von einem
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