Damon Knight's Collection 02 (FO 03)
Evolution, das ist eine ganz große Sache …«
Aber es hatte keinen Sinn, all das hatte sie schon gehört. »Vielleicht wird es diesmal nicht so sein«, sagte sie. »Wir … haben uns am Ende so schnell entwickelt.
Vielleicht entwickeln wir uns jetzt genauso schnell zurück …«
»Das hat überhaupt nichts miteinander zu tun«, sagteer. »Überhaupt nichts.«
Sie sagte verzweifelt: »Wir waren so schlau, Jack, uns so aus der Affäre zu ziehen, im Meer zu leben. Eine neue Welt zu schaffen. Aber vielleicht … könnte das nicht irgendwie genau das sein, was das Meer wollte? Wozu wir ausersehen waren? Oh, ich weiß, es klingt verrückt, aber glaub mir, wenn ich die Kinder sehe … Neulich ist Jen in der Küche ausgerutscht. Als sie aufstehen wollte, da hat sie wohl versucht sich umzudrehen, als ob sie im Wasser wäre – sie vergaß, daß sie in der Luft war … Und David, er schwimmt genau wie eine kleine Krabbe … Wenn ich so etwas sehe, denke ich … Ach, ich weiß nicht, was ich manchmal denke – vielleicht sind wir gar keine … Pioniere. Das mit Den Tiefen, es heißt, sie rufen, sie ziehen … Vielleicht werden wir bloß zurückgezogen, dahin, wo wir hingehören …«
Schließlich wurde er wütend. »Na schön. Sagen wir, dieser ganze Unsinn stimmt. Wir besitzen ein rassisches Erinnerungsvermögen in unseren Gehirnen, in unserem Nervensystem. Wir erinnern uns an die Anfänge des Lebens, die so viele Jahre zurückliegen, so viele Jahre, daß wir nicht einmal die Tausende zählen können. Nun, dann sind wir schon wieder nach Hause zurück, Mary. Genau hier, wo wir sind, hier hat das Leben angefangen. In den Untiefen, die Sonne trinkend. Nicht in Den Tiefen. Dahin hat es sich ausgebreitet, genau wie zum Land hin, und zwar gleichzeitig. Es gibt nichts, was uns von dort hinten rufen könnte. Wir gehören nicht dorthin, haben nie dorthin gehört.«
Sie zitterte ein wenig, betrachtete das Kissen, sah seine Struktur. Jeden Faden in dem Gewebe. »Ich wollte menschlich bleiben«, sagte sie. »Das war alles. Bloß menschlich bleiben, und die Kinder …«
Er streckte die Hand nach ihr aus. »Du bist menschlich. Du bist schon richtig.«
Sie sah ihn nicht an. »Ich glaube«, sagte sie, »ich glaube, jetzt … würde ich die Städte vorziehen. Jack …«
Er antwortete nicht, und sie wußte, ohne hinzusehen, was für ein Gesicht er machte. Etwas in ihr schien sich zu verbiegen und zu erkalten. Er würde vielleicht alles für sie tun, aber das nicht. Er würde nicht an Land gehen, nicht jetzt. Die Reiche, die Herden und Stämme des Meeres, er hatte sie im Kopf, auch sie riefen. Der Traum war zu stark, er konnte ihn nicht fahrenlassen.
Er stieß die Bettdecke beiseite und schwang die Beine aus dem Bett. Sie horchte auf das leise Rascheln, als er nach seinem Morgenrock griff. »Mary«, sagte er. »Warum gehst du nicht mal zum Arzt und läßt dich untersuchen? Du bist erschöpft, das ist meine Schuld, ich hätte das merken müssen … Zu viel allein, du hast keine Abwechslung. Nicht mehr. Vielleicht solltest du eine Reise an Land machen, deine Familie besuchen. Ich sag dir was – ich nehm mir ein paar Tage Urlaub, und wir fahren nach Siebenundfünfzig. Die Kinder nehmen wir mit, was sagst du dazu? Sie haben das neue Theater da oben, eine Menge Kitsch. Na, was sagst du?«
Sie antwortete nicht. »Ich werde mit Jen reden«, sagte sie. »Gleich morgen. Diese Albernheiten müssen aufhören …« Er ging hinaus, machte Licht. Fing an, in der Küche zu hantieren. Er brachte ihr eine Tasse Kaffee mit einem Schuß Rum. Sie hängte sich ein Bettjäckchen über die Schultern, setzte sich auf und trank, die Hände um die warme Tasse gelegt. Fühlte das Zittern noch tief in ihrem Körper, hörte das Summen der Klimaanlage, dachte an die dummen, dämlichen Meßinstrumente, wie sie kontrollierten und berichteten. Druck, Feuchtigkeit, Sauerstoffstand, dieser ganze Kram. Während Jack dasaß und sie beobachtete, rauchte und lächelte und nicht verstand …
Langsam durchschwamm Mary die Stadt noch einmal der Länge nach, blickte nach rechts und links zu den in den Schatten geschmiegten Kuppeln mit ihren Fenstern wie viereckige helle Augen. Das Meer war jetzt dunkler. In der wirklichen Welt, da oben, ging der Mond unter. Die Oberfläche war bloß als ein gräulicher Schimmer zu sehen. Große Farne zeichneten sich gegen sie ab, neigten sich majestätisch mit der Strömung wie von einem endlosen Wind gebogene Bäume. Der Ebbestrom hatte
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