Damon Knight's Collection 02 (FO 03)
Nicht, daß irgend etwas schiefgehen konnte, natürlich nicht, dafür war das Ganze zu gut durchdacht. Die Menschen lebten jetzt schon seit Jahren unter Wasser, und es gab hier weit weniger Unglücksfälle als auf dem überfüllten Land.
Mary schnitt eine Grimasse, trat in die Schleuse und schloß das innere Schott. Die Deckenbeleuchtung schaltete sich ein. Sie drückte auf den Füll-Knopf. Zischend entwich die Luft durch die Auslaßventile.
Sie hockte sich im steigenden Wasser nieder, um die Riemen der Flossen über die Fersen zu ziehen. Dann richtete sie sich auf. Die Kühle berührte ihre Hüften. Sie strich das Haar zurück, tauchte die Maske unter und spülte sie aus, drückte das durchsichtige Visier aufs Gesicht. Die Plastikmaske haftete selbst, ihrer Kopfform angepaßt, und reichte von der Stirn bis zum Kinn. Sie setzte die Kopfhörer ein, griff unter ihren Arm nach den Mikrofonkabeln und schloß die Enden an die Magnetkontakte in ihrem Hals an. Die Kammer füllte sich, Wasser stieg grünlich über ihren Kopf. Als der Druck sich ausgeglichen hatte, glitt der äußere Wandabschnitt automatisch beiseite und ließ das dunstige Licht der Straßenlampen herein. Mary stieß sich ab und spürte, wie das Meer ihr Gewicht aufhob und sie hochtrug. Haarsträhnen wogten wie schwarze Farnwedel anmutig vor ihren Augen.
Langsam schwamm sie durch die Stadt. Aus dem Dunst stiegen zu beiden Seiten Reihen kuppelförmiger Gebäude auf. Einige der Häuser waren noch neu, mit glänzenden Stahlhüllen, andere hatten sich mit einer dichten, wogenden Schicht von Algen überzogen. Die Schaufenster entlang der Hauptstraße waren hell erleuchtet. In den Spiegelglasfenstern lagen auf weißen Tellern mit Krautwedeln garnierte Fische, Muscheln und Krebse aus. Dort wurden Unterwasser-Atmungsgeräte und Bücher, Schallplatten, Puppen und Spielzeug angeboten. Hier unten war der Sand vom Meeresboden bis zu dem darunterliegenden Gestein abgetragen worden. Oben spannten sich schmale Bögen, an denen die Schlitten von Auswärtigen vertäut lagen, von Fischhirten und Meeresforschern, die von einsamen, über den Meeresboden verstreuten Kuppeln aus ihrer Arbeit nachgingen. Die Blöcke waren erleuchtet; jede Kugel stand strahlend im Grün, umschwärmt von einer tanzenden Wolke winziger Fische wie eine Lampe auf der Erde von Motten. Über allem lag Friede, träumerischer Friede der Dämmerung auf einer alten, unverdorbenen Erde.
Nur wenig menschliche Schwimmer waren jetzt unterwegs, aber hier und da schwebte eine schimmernde Gestalt über den Dächern der Häuser. Delphine – sie hatten die Gemeinschaften am Meeresboden schnell entdeckt und Nutzen daraus gezogen. Manche Familien hielten sich sogar einen oder mehrere als halbzahme Haustiere und hingen sehr an ihnen. Gelegentlich tauchten auch andere Geschöpfe in den Stadtgebieten auf – Haie, Rochen, der kuriose Tintenfisch. Aber die von den Schwimmern mitgeführten Abwehrmittel waren mittlerweile so weit entwickelt worden, daß es wenig zu befürchten gab. Und die Stadtwachen harpunierten oder verscheuchten jeden der großen Burschen, die sich zu lange oder zu nahe bei der Stadt herumtrieben. In der Hauptsache gab es jedoch wenig, was Räuber anziehen konnte.
Die Abfallbeseitigung wurde streng kontrolliert. Abfall ins Meer zu schleusen, war so ungefähr das schlimmste Verbrechen, dessen man sich schuldig machen konnte; man konnte dafür an Land geschickt werden.
Die »Ungeheuer der Tiefe«, soweit sie überhaupt existierten, mieden die Kolonien. Sie mochten die Helligkeit und den Lärm nicht, die Geschäftigkeit und die dumpfen Töne der vielen, sich im Wasser überlagernden Vibrationen. Wie Jack nie müde wurde zu betonen, war das Leben hier unten sicherer als an Land.
Mary machte kehrt, passierte die Superkuppeln, die das städtische Destillationswerk enthielten. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Süßwasser lag bei den Meermenschen um fünfzig Prozent höher als bei den Landmenschen. Häufiges Baden war notwendig, um Salzrückstände von der Haut zu entfernen. Die Versorgung mit salzfreiem Wasser stellte eines der größten Probleme der Siedlungen auf dem Meeresboden dar. Hinter der Destillerie lagen die Luftwerke. Die Elektrolyten reichten halb bis zur Oberfläche, jedes Rohrbündel von einer isolierenden Heliumhülle umgeben. Der Strom für die Sauerstoffgewinnung kam von nah gelegenen Gezeiten-Kraftwerken entlang der Küste. Viele Kuppeln ließen sich bereits vom Werk versorgen, und
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