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Damon Knight's Collection 07 (FO14 )

Damon Knight's Collection 07 (FO14 )

Titel: Damon Knight's Collection 07 (FO14 ) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon (Hrsg.) Knight
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ebenfalls, sie hätten am Morgen unsere Mieterin zum Bahnhof gebracht und gewartet, bis sie in den Zug gestiegen sei: schlaksig, groß, mit zotteligen Haaren, eine seltsame Gestalt wie ein Storch, angetan in einem langen, schwarzen Gewand, und ihre ganzen Besitztümer waren in einem kleinen Koffer verstaut. »Sie ist wieder zum Zirkus«, sagte meine Mutter. Nichts war in ihrem Zimmer geblieben, nichts auf dem Dachboden, was ihr gehört hatte, keine Reflektion im Fenster, an dem sie gestanden hatte, im hellen Licht vor dem schwarzen Hintergrund, nichts in der Küche und nichts im Country Club, nur unkrautüberwucherte Tennisplätze. Joe hat sich nie mehr bei uns zu Hause blicken lassen. Eine Woche vor Schulanfang blätterte ich durch alle meine Bücher, angefangen von der ZEITMASCHINE bis zum GRÜNEN HUT. Dann ging ich nach unten und durchsuchte jedes Buch im Haus. Ich fand nichts. Ich wurde zu einer Party eingeladen, aber meine Mutter ließ mich nicht hingehen. Um das Haus herum wuchsen Kornblumen. Betty besuchte mich einmal und langweilte sich.
    Gegen Ende des Sommers beschloß ich eines Nachmittags, als der Wind vom Dach bis zum Keller und durch alle Ritzen wehte, als meine Eltern im Hof saßen, unsere nächsten Nachbarn zum Schwimmen gegangen waren und alles ringsum still und verschlafen wirkte – bis auf einen Rasenmäher, der ein paar Häuser weiter dröhnte –, alle meine Schuhe anzuprobieren und auszusortieren. Ich tat es vor dem hohen Spiegel, der an der Innentür meines Kleiderschrankes befestigt war. Dazwischen war ich in das eine oder andere meiner Winterkleider geschlüpft und legte gerade eines in eine Schachtel unten im Schrank, als ich zufällig seitlich zur Schranktür hinsah.
    Sie stand im Spiegel. Der ganze Hintergrund war schwarz, wie Samt. Sie trug etwas Schwarz-Silbriges, halb um sie drapiert, so daß die andere Hälfte nackt erschien, und vor ihrem Gesicht waren Linien, die es aufteilten wie ein Spinnennetz. Sie hatte nur ein Auge. Die Höhle des erloschenen Auges strömte weiß blitzende Lichträder aus, wie bengalisches Feuer. Sie sagte:
    »Hast du dir jemals gewünscht, noch einmal als kleines Kind anzufangen und alles anders zu machen? Deine Fehler zu überwinden?«
    Ich brachte kein Wort heraus.
    »Ich bin nicht wie du«, fuhr sie fort, »aber mir ist der Gedanke gekommen, und nun bin ich vierhundertfünfzig Jahre zurück in die Vergangenheit gegangen. Aber es gibt nichts zu sagen. Man kann einfach keine Ratschläge erteilen. Das ist schade, aber ganz natürlich, zweifellos.«
    »Oh, bitte«, flüsterte ich. »Bleib noch!« Sie stemmte einen Fuß auf den unteren Spiegelrahmen, als wäre er eine Türschwelle. Die silberne Sandalette, die sie zum Ball im Country Club getragen hatte, stand fast in meinem Zimmer; mit breitem Absatz, flach, abgeschabt, häßlich wie die Sünde. Neue Haarrisse zogen sich über ihr Gesicht und die nackte Haut und schmückten sie wie ein Schleier. Dann trat sie mit einem amüsierten Kopfschütteln zurück; das kaputte Auge verdunkelte sich, schwoll an, explodierte in Lichtblitzen und erlosch, und erschien nun als leere Augenhöhle, schaurig, erschreckend und fürchterlich.
    »Tja«, sagte sie, »meine Großmutter dachte, sie würde etwas Hartes auf eine Welt bringen, die sanft und dumm, aber nett wäre, und nun ist sie dumm und nicht sehr nett, und das Harte ist zu hart und das Weiche zu weich, und meine Urgroßmutter – die den Orden gegründet hat – ist tot. Nicht, daß es wichtig wäre. Nichts endet, verstehst du. Alles geht weiter und weiter.«
    »Aber Sie können nichts sehen!« quetschte ich heraus. Sie drückte an die Schläfe, und das Auge funkelte wieder.
    »Bizarr«, sagte sie. »Interessant. Attraktiv. Stockblind und doppelt so gut. Ich erzähl dir, was auf meinen Zeichnungen ist.«
    »Aber Sie dürfen ..; Sie können …«, stammelte ich.
    »Die erste«, berichtete sie, und Haarstriche krochen über ihren ganzen Körper, »zeigt einen Eloi, der die Munter-Munterkeit erlebt; ein glatzköpfiger, fetter Mann in einer Toga, mit einem Lätzchen mit Rüschen, einem Sonnenhut und komischen Schuhen. Er hält eine Kristallkugel im Schoß, von der Drähte zu seinen Augen, seiner Nase, seinen Ohren, seiner Zunge und seinem Kopf führen, genau wie bei euren Lampen. Das ist ein Eloi mit der Munter-Munterkeit.«
    Ich fing zu weinen an.
    »Die nächste«, fuhr sie fort, »zeigt einen Morlock bei der Arbeit, und das bin ich; ich halte einen Schädel wie Hamlet,

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