Damon Knight's Collection 07 (FO14 )
unternehmen, und zwar mit dem Geld, das noch von seinem Buch übriggeblieben war. Obgleich er die Notwendigkeit nicht einsah, ging er auf Janices Wunsch ein, die Scheidung nicht anzufechten. Sie schieden freundschaftlich voneinander. Sie hatte ihn sogar zum Schiff gebracht.
Ein oder zwei Tage lang fiel nasser Schnee und wurde zu knietiefen Haufen auf den freien Plätzen, den befestigten Höfen und den unbebauten Flächen zusammengeweht. Kalte Winde polierten den Matsch in den Straßen zu mattschimmerndem Eis. Die steileren Hügel wurden unpassierbar. Ein paar Tage noch blieben Eis und Schnee liegen, bis plötzlich einsetzendes Tauwetter sie innerhalb eines Nachmittags auftaute und als braune und unratdurchsetzte Bäche die kopfsteingepflasterten Straßen hinabwusch. Eine kurze Spanne annehmbaren Wetters mochte dieser Schmelze folgen, bis ein neuer Schneesturm hereinbrach. Altin erklärte ihm, daß es ein ungewöhnlich harter Winter sei.
Eine sich verkleinernde Spirale.
Eine Enge.
Und jeden Tag lag der Lichtschein blasser und kürzer auf den weißen Hügeln.
Eines Abends glitt er auf dem Heimweg vom Kino auf den spiegelglatten Steinen vor seiner Haustür aus und zerriß beide Hosenbeine am Knie so, daß sie nicht mehr geflickt werden konnten. Es war der einzige Winteranzug, den er mitgebracht hatte. Altin nannte ihm einen Schneider, der ihm einen neuen Anzug schneller und billiger fertigen würde, als er für einen von der Stange ausgeben müßte. Altin handelte mit dem Mann und suchte sogar den Stoff aus, eine schwere Wolle-Rayon-Mischung in einem leicht glänzenden, etwas ekelhaften Blauton, so stumpf und verwaschen wie das Gefieder einer gewissen schwächlichen Taubenrasse. Er verstand nichts von der Kunst des Schneiderhandwerks und vermochte deshalb auch nicht zu sagen, woran es lag, daß ihm dieser Anzug anders als alle früher getragenen enger vorkam – ob an der Form der Revers, der Jackenlänge oder der Weite der Hosenbeine. Nichtsdestotrotz paßte er ihm wie von Meisterhand angemessen. Wenn er nun kleiner und stämmiger aussah, dann entsprach das wohl seiner wirklichen Statur, und seine früheren Anzüge hatten seine Mängel vertuscht. Auch die Farbe bewirkte eine gewisse Verwandlung: sein Teint sah neben diesem blaugrauen Farbton weniger sonnengebräunt, sondern bleich aus. Wenn er den Anzug trug, dann war er allem Anschein nach ein Türke.
Nicht, daß er einem Türken gleichen wollte. Sie waren im großen und ganzen ein unansehnlicher Haufen. Er wollte lediglich den anderen Amerikanern ausweichen, die selbst während dieser ungünstigen Jahreszeit ausharrten. Je geringer ihre Anzahl wurde, desto unerträglicher traten sie rudelweise auf. Auf das kleinste Anzeichen hin – ein Exemplar der Newsweek oder Herald Tribüne, ein Wort englisch, ein Luftpostbrief mit dem verräterischen Poststempel von zu Hause – stürzten sie sich voller Tatendrang und jovialer Munterkeit auf einen. Ihnen gegenüber war eine Tarnung von Vorteil, ebenso die Kenntnis ihrer Stammlokale und Treffpunkte, um sie zu vermeiden: Divan Yolu und Cumhuriyet Cadessi, die amerikanische Bücherei und das Konsulat, außerdem noch acht oder zehn der von den Touristen am meisten frequentierten Restaurants.
Als der Winter eingezogen war, hörte er auch mit seinen Besichtigungsgängen auf. Zwei Monate osmanischer Moscheen und byzantinischer Ruinen hatten seinen Sinn für das Willkürliche so geschärft, daß er der Anregung durch das Monumentale nicht mehr bedurfte. Seine eigenen Räume – ein wackeliger Tisch, die Vorhänge mit Blumenranken, die ausgebleichten Pinup-Fotos mit den verschwommenen Konturen, die zusammenstoßenden Flächen von Decken und Wänden – boten eine ebenso große Fülle von »Problemen« wie die gewaltigen Moscheen Suleimans oder Sultan Ahmeds mit all ihren Minaretten und Mihrabs, ihren stalaktitenförmigen Nischen und fayencengeschmückten Wänden.
Eine zu unüberschaubare Fülle. Tag und Nacht bestürmte sie ihn. Sie lenkte seine Aufmerksamkeit von allem anderen ab, was er sich vielleicht vornehmen wollte. Er kannte alles mit der erzwungenen Intimität eines Gefangenen in seiner Zelle – jeden baulichen Fehler, jeden Mangel an Anmut, die genaue Richtung des Lichteinfalls zu jeder Tages- und Nachtzeit. Hätte er sich die Mühe gemacht, die Möbel umzustellen, seine eigenen Drucke und Landkarten an die Wände zu hängen, die Fenster zu waschen und die Böden zu schrubben, ein paar Bücherregale
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