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Damon Knight's Collection 09 (FO 16)

Damon Knight's Collection 09 (FO 16)

Titel: Damon Knight's Collection 09 (FO 16) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon (Hrsg.) Knight
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zu überzeugen, daß ich einer der bestbezahlten Narkosefachärzte der Welt bin, aber im Jahr darauf hat er es schon wieder vergessen. Es endet stets damit, daß ich seinen Ratschlägen zuhören muß, daß Stricken und Stillen immer noch das Beste für eine Frau seien. Dort oben im Schlafzimmer half Dr. Warren seinerzeit bei meiner Geburt, während mein Vater ihm umsichtig assistierte, obwohl er hinterher zusammengebrochen sein und selbst wie ein Baby geheult haben soll. Das behauptet jedenfalls Dr. Warren. Und ich glaube ihm das.
    Dr. Warren und seine Frau Nora machen viel Aufhebens um mich, und meine Augen füllen sich mit Tränen, als sie mir Kaffee servieren, auf dem eine dicke Haube Schlagsahne sitzt. Auch sie denken, daß ich auskundschaften werde, was die Flachlandausländer mit unserer Stadt vorhaben.
    Sagamore-Haus. Wieder versuche ich, es mit den Augen meiner Kindheit zu sehen: romantisch, einschüchternd, prächtig, mit schweren Vorhängen und massiven, geschnitzten Möbeln. Ein Erinnerungsblitz läßt mich zwischen den klauenartigen Füßen umher krabbeln, Auge in Auge mit Löwen und Wasserspeiern, denen ich die Zunge rausstrecke. Das Hotel ist geschrumpft, der Zauber verblaßt und der Palast zu einem dreistöckigen Holzgebäude geworden mit Kuppeln und vielen Schornsteinen und Giebeln, grau, wie alles hier in der Stadt. Nur von den Apfelbäumen auf dem weiten, samtenen Rasen geht noch ein Zauber aus. Ich gehe durch den Hintereingang und überrasche Miss Dorothea und Miss Annie, die mit beängstigender Hast herumhantieren.
    Kleine Schreie, Tränen, Umarmungen, Kusse und der unvermeidliche Kaffee folgen der Begrüßung. Dann lasse ich mich an dem langen Arbeitstisch nieder, in meinem Schoß ein Sieb mit Erbsenschoten und eine Schüssel dazu.
    „… und sie sagten, der Bus könnte nicht mehr kommen. Nicht zweimal am Tag vierzig Kilometer. Und da kann man auch kaum etwas dagegen sagen, da man vier Jahre lang nichts für die Straße getan hat und sie so gefährlich ist …“ Eine Sackgasse, denke ich, während ich erst Dorothea und dann Annie und manchmal beiden zugleich zuhöre. Somerset war einst das Bindeglied zwischen Hawley und Jefferson, bis der Damm am Fluß gebaut und die Brücke überschwemmt wurde. Und nun liegt Somerset sterbend in einer Sackgasse. Ich sage mir das Wort wieder und wieder, ich liebe es so sehr, ein so wundervolles Wort, so geheimnisvoll und voller Bedeutung …
    Ich weiß, daß sie etwas von meinem Vater hören wollen, doch nicht zu fragen wagen. Also erzähle ich ihnen, daß ich ihn letzten Monat gesehen habe und daß es ihm unverändert geht. Das Thema wechselt rasch. Wir kehren zurück zur Abwanderung der letzten vier Familien mit schulpflichtigen Kindern.
    Die Tür zum Korridor wird aufgestoßen, und der Harvard-Doktor kommt in die Küche. Ich mag ihn nicht. Ich weiß nicht genau, ist es tatsächlich Haß oder nur Antipathie, doch ich wünschte, er wäre nicht hier, sondern in Harvard geblieben. Er ist etwa vierzig, rosig und beleibt, mit weichen rosigen Händen und dünnem braunem Haar. Ich kann mir vorstellen, daß er loswinseln wird, wenn er seinen Willen nicht durchsetzen kann.
    „Miss Dorothea, könnten Sie mir vielleicht sagen, wo meine Jungen sich ein Boot leihen und Angelsachen kaufen können?“ Er bemerkt, daß er mich nicht kennt, und sein Blick richtet sich auf mich.
    „Mein Name ist Janet Matthews“, sage ich.
    „Ach, leben Sie auch hier?“
    Flegel, denke ich und nicke. „Am Ende der Hauptstraße. In dem großen weißen Haus, das in Unkraut erstickt.“
    Offensichtlich weiß er nicht, in welche Kategorie von Mensch er mich einzuordnen hat. Nach einigem Zögern stellt er sich selber vor, wobei er die Stirn runzelt und den Mund spitzt. Ich bin stolz auf Dorothea und Annie, daß sie ihn im dunkeln tappen lassen. Ich weiß, daß sie das Mühe kostet. Er sagt: „Ich bin Doktor Staunton.“
    „Doktor der Medizin?“
    „Nein.“ Er will sich zur Tür begeben, doch ich halte ihn zurück.
    „Worin haben Sie promoviert, Doktor Staunton?“
    Ich kann den Aufschrei von Dorothea regelrecht vernehmen, obwohl kein Laut ertönt.
    „Psychologie“, antwortet er, offensichtlich schlecht gelaunt. Er wartet keine weiteren Fragen mehr ab, auch nicht die Antwort auf seine Frage an Dorothea.
    Ich mache mich wieder an die Erbsen, während Annie ihre Eierkuchen wendet und Dorothea sich erneut uneingeschränkt ihrer Sauce widmet, die zu rühren sie nicht aufgehört hat. Annie

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