Damon Knight's Collection 09 (FO 16)
sonderbar.“ Norma bemerkt, daß unsere Gläser fast leer sind, entschuldigt sich einen Augenblick und ist sogleich mit dem Krug zurück.
Dr. Warren hat während des Gesprächs zwischen Norma und Staunton nichts gesagt. Ich sehe die Fältchen um seine Augen zucken, doch das nur, weil ich weiß, wo ich hinzusehen habe. Er bleibt sehr ernsthaft, als Staunton sich an ihn wendet. „Aber Sie wären zur Zusammenarbeit bereit, nicht wahr, Blair? Ich meine, Sie verstehen die Notwendigkeit dieser Art von Untersuchungen.“
„Ja, natürlich, nur daß ich ein richtiger Menschenfresser bin, wenn ich aufwache. Ich brauche mindestens ein, zwei Stunden, bis ich in Gang komme. Mein Stoffwechsel ist während der Stunden vor und nach Sonnenaufgang so niedrig, daß ich für Ihre Zwecke ein Waschlappen wäre, und wenn ich endlich wieder Mensch geworden bin, ist mir, als habe die Nacht nie existiert.“
Dr. Staunton nippt nicht mehr. Er nimmt einen kräftigen Zug nach dem anderen. Noch zeigt er seinen Unmut nicht, doch ich fühle, wenn er ihn nicht herausläßt, wird er noch diese Nacht Magengeschwüre oder zumindest Verdauungsschwierigkeiten bekommen. Er mag mich ebensowenig wie ich ihn, doch zwingt er sich wieder ein Lächeln ins Gesicht, das an mich gerichtet ist.
„Miss Matthews?“
„Ich habe mich noch nicht entschieden“, sage ich. „Ich bin neugierig, und ich habe Träume. Ich las irgendwo einen Artikel, in Life oder Newsweek oder sonstwo, und er klang sehr geheimnisvoll, doch behagt mir die Vorstellung von Drähten im Gehirn und Kopfhörern und so weiter gar nicht.“ Wieder erklärt er mir sehr geduldig, daß für die Apparaturen nur seine Studenten und für diese Phase ausgesuchte Versuchspersonen vorgesehen sind. Ich frage ihn, ob ich einmal zusehen dürfe, und er ist gezwungen, ja zu sagen. Als Gegenleistung versucht er mein Ja zu erhalten, aber ich bin zurückhaltend und sage nur, daß ich erst einmal nachdenken müsse. Er versucht, von Dr. Warren das Versprechen zu erhalten, andere Leute in der Stadt zur Mitarbeit zu gewinnen, und Dr. Warren weicht geschickt aus. Ich weiß, daß ihm der Gedanke kommen wird, mich für diesen Zweck zu benutzen, doch nicht an diesem Abend. Ich glaube, er ist nicht sonderlich intelligent. Ich bin neugierig auf seine Studenten und lade ihn und alle seine Studenten für morgen Abend zu mir nach Hause zu einem Barbecue draußen im Garten ein. Das ist alles, was er bei uns erreichen kann, und das Essen, obwohl gut wie eh und je, scheint nur sehr langsam zu verstreichen. Staunton entschuldigt sich rasch nach dem Essen mit schiefem Lächeln, die Arbeit warte auf ihn, nur die Glücklichen könnten des Nachts schlafen.
Niemand bittet ihn, länger zu bleiben, und als er fort ist, helfe ich Norma beim Abwaschen. Dr. Warren sitzt in der Küche und trinkt schwarzen Kaffee. Wir reden über den Harvard-Doktor. „Ich mag ihn, offen gestanden nicht“, sagt Norma mit Überzeugung. „Schleimiger Typ.“
Ich denke an sein rosiges Gesicht und seine rosigen, haarlosen Hände und seine Pobacken, die wackeln, wenn er geht, und ich weiß, was sie meint.
„Ich glaube, sein Projekt ist nicht so übel oder verlorene Zeit“, sagt Dr. Warren. „Nur am falschen Ort zur falschen Zeit mit falschen Leuten.“
„Ich möchte herausfinden, was er genau untersuchen will“, sage ich. „Mich interessiert es, welchen Unterschied er zwischen den Studenten und unseren Leuten erwartet.“ Ich überlege, ob die Idee wirklich von ihm oder einem seiner Doktoranden stammt. Doch will ich keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich kann bis morgen abend warten, bis ich sie alle treffen werde. Ich sage: „Dr. Warren, Vater bittet mich ununterbrochen, ihn nach Hause zu holen. Meinen Sie, es würde ihm helfen?“
Dr. Warren setzt seine Tasse hin und sieht mich eindringlich an. „Ist er immer noch bettlägerig?“
„Ja, und er wird es auch immer bleiben, doch könnte ich ihn unten im Eßzimmer einquartieren. Er ist so unglücklich im Pflegeheim. Ich bin sicher, das Haus und die Geräusche dort würden ihm andere Tage in Erinnerung bringen, ihn heiterer machen.“
„Nicht wahr, es sind jetzt vier Jahre her?“ Dr. Warren weiß es genau. Ich frage mich, warum er die Zeit ins Spiel bringt, welche Gedanken sich dahinter verbergen, die er nicht sagen will.
„Liebling“, sagt er mit jener sanften Stimme, mit der er immer die Notwendigkeit einer Klammer oder einiger Stiche ankündigte. Ich erinnere mich, daß er nie sagte,
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