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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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war angespannt, und ihr Blick schoss an mir vorbei zur Kiste in der Ecke.
    »Ich komme auch nach unten«, verkündete sie und hielt die Luft an, während sie zaghaft die Treppe hinunterstieg. Ich zeigte fragend auf die Kiste, und nachdem die anderen genickt hatten, gingen wir langsam und zögernd durch den dunklen Keller darauf zu, näherten uns Zentimeter für Zentimeter dem Gegenstand, von dem wir gehofft hatten, ihn nie wiedersehen zu müssen.
    Die Tür der Kiste war mit einem dünnen Seil zugebunden, das in einem komplizierten Knoten endete. Tracy war als Einzige mutig genug, sich direkt vor die Kiste zu stellen. Wir anderen blieben in einem Meter Abstand stehen, unsere behelfsmäßigen Waffen kampfbereit erhoben. Wie erstarrt standen wir da und lauschten dem Klopfen, das nun wieder aus der Kiste erklang. Uns allen widerstrebte es zutiefst, sie zu berühren. Sie war wie ein lebendiges Tier, das einsam und gefährlich durch die Hölle unserer Vergangenheit streifte.
    Dann nahm Tracy all ihren Mut zusammen und streckte die Hand aus, um ruckartig nach dem Knoten zu grapschen und hektisch daran herumzufummeln, mit gerunzelter Stirn und zusammengebissenen Zähnen. Es war ein Schlingenknoten, aber irgendwann hatte Tracy alle Schlingen gelöst und zog mit einer schnellen Bewegung die Tür auf.
    In der Kiste kauerte ein Mann, der mit dem gleichen dünnen Seil gefesselt war, das auch die Kiste zugehalten hatte. Nachdem wir die Überraschung einigermaßen verdaut hatten, beugte ich mich über die Kiste, um besser sehen zu können. Obwohl das Gesicht des Mannes rot angelaufen und angstverzerrt war, sah ich sofort, um wen es sich handelte.
    »Ray?«, fragte ich schockiert.
    Er nickte, konnte aber nicht antworten, weil ein zusammengeknüllter Lappen seinen Mund verstopfte. Als er sah, mit wem er es zu tun hatte, verwandelte sich sein panischer Gesichtsausdruck in einen erleichterten. Tracy wollte ihn losbinden, aber Adele hob die Hand.
    »Könnte das nicht eine Falle sein? Vielleicht ist er derjenige, der mit Jack unter einer Decke steckt, und wartet jetzt nur darauf, uns anzugreifen.« Adeles Stimme klang schrill vor Panik.
    »Warum lassen wir ihn nicht einfach selbst zu Wort kommen?«, fragte Tracy und zog ihm kurzerhand den Knebel aus dem Mund.
    »Wasser«, flüsterte er heiser.
    Ich nickte, und Christine rannte nach oben in die Küche und kehrte mit einem Glas Wasser zurück, das sie ihm an die Lippen hielt. Nachdem er es gierig ausgetrunken hatte, bat er um mehr Wasser. Erst nach zwei weiteren Gläsern war er in der Lage zu sprechen.
    »Danke«, krächzte er. »Können Sie mich losbinden?«
    »Aber zuerst verraten Sie uns, wer Sie gefesselt hat«, forderte Adele ihn auf.
    Ray sah aus, als könnte er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Der Gedanke, uns den Namen seines Peinigers mitteilen zu müssen, schien ihm unerträglich zu sein. Dann sagte er kaum hörbar: »Sylvia. Sylvia hat mich gefesselt.«
    » Was? «, fragten wir alle vier.
    »Es stimmt«, beteuerte er. »Ich kam gerade von der Arbeit und war auf dem Weg nach Hause, als ich plötzlich ihr Auto sah. Ich habe mich natürlich gefreut, weil ich mir schon Sorgen um sie gemacht hatte, und wollte sie fragen, ob auch wirklich alles in Ordnung sei. Also bin ihr zum Postamt hinterhergefahren, wo sie allerdings nur kurz aus dem Auto sprang und einen Brief in den Briefkasten warf. Ich war nicht schnell genug und bin ihr daher weiter gefolgt. Vielleicht war es falsch von mir, einer jungen Dame derartig auf den Pelz zu rücken, aber ich wollte einfach wissen, ob es ihr gutgeht.
    Sie ist allerdings nicht nach Hause gefahren, sondern aus der Stadt hinaus. Das hat mich neugierig gemacht. Ich weiß auch nicht warum, vielleicht hat es mit meinem Hobby zu tun. Jedenfalls … wollte ich unbedingt wissen, wo sie hinfährt. Ich bin ihr die ganze Strecke bis hierher gefolgt und habe von unterwegs Val angerufen und ihr aufs Band gesprochen, dass ich heute länger arbeiten müsse. Natürlich hätte ich sie nicht anlügen dürfen, aber ich hatte Angst, dass sie mich für einen alten Trottel hält. Womit sie wohl nicht ganz unrecht gehabt hätte …«
    Er unterbrach seinen Bericht und bat um ein weiteres Glas Wasser. Dann fuhr er fort: »Ich bin ihr bis zur Auffahrt hinterhergefahren und habe mein Auto unten an der Straße geparkt, hinter einem Gebüsch, damit es niemand sieht. Als ich zu Fuß am Ende der Auffahrt ankam, habe ich sie gerade noch ins Haus verschwinden sehen und bin um das

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