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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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Sie müssen es uns sagen! Vielleicht wissen Sie etwas, was uns hier raus hilft, ob es Ihnen nun bewusst ist oder nicht. Wir müssen wissen, wer noch in die Sache verwickelt ist. Wer hat uns die Briefe ins Hotel gebracht und uns hierhergelockt? Wer hat dieses Haus präpariert und uns eine Willkommensnachricht hingelegt? Irgendjemand muss Jack geholfen haben. Er selbst sitzt schließlich immer noch im Gefängnis.«
    In diesem Moment hörten wir alle das Geräusch, von dem Adele gesprochen hatte, ein dumpfes Klopfen, das von unten zu kommen schien. Wir beugten uns vor, um besser hören zu können. Da war es wieder: ein Klopfen, das eindeutig aus dem Keller kam und sich nicht länger ignorieren ließ.
    »Was ist das?« Christine ergriff zuerst das Wort.
    Wir standen auf, entriegelten die schweren Bibliothekstüren und gingen zur Kellertür, die in die Katakomben des Hauses hinunterführte. Adele folgte uns in einigen Metern Abstand. Auf ihrem Gesicht lag das blanke Entsetzen.
    Unschlüssig blieben wir auf dem Flur stehen und klammerten uns an unsere jeweilige Waffe. Das Kombinationsschloss war immer noch da, aber die Tür war leicht angelehnt. Als wollte uns jemand auffordern hindurchzugehen. Als wäre das Haus zum Leben erwacht und wollte uns nach unten locken, nach unten in den Keller. Wieder erklang das Geräusch.
    Tracy holte tief Luft, stieß die Tür auf und machte einen Schritt die Treppe hinunter. Sobald ihr Fuß die erste Stufe berührte, schüttelte Christine vehement den Kopf.
    »Ich kann da nicht runtergehen. Es geht einfach nicht, wirklich nicht.« Sie ging zurück zur Bibliothek und blieb auf der Türschwelle stehen.
    »Ach, in die Bibliothek kannst du gehen, aber nicht in den Keller? Das ist doch unlogisch!«, sagte Tracy frustriert.
    »Lass sie«, verteidigte ich Christine. »Mir geht es genau wie ihr, aber irgendjemand muss schließlich nachsehen, was das für ein Geräusch war. Vielleicht kann sie oben Wache halten«, schlug ich vor und winkte Tracy weiter die Treppe hinunter. Sie schüttelte den Kopf, bevor sie ihren Weg fortsetzte.
    Vorsichtig stiegen wir hintereinander die Treppe hinunter. Das vertraute Knarren, das bis heute meine Albträume heimsuchte, zerrte an meinen Nerven. Ich zählte automatisch die Stufen mit, ohne zu merken, dass ich es laut tat. Erst als Tracy herumfuhr und mich wütend anfunkelte, verstummte ich.
    In dem Moment, in dem sich unsere Blicke trafen, liefen die Jahre, die wir zusammen im Keller verbracht hatten, wie ein Film vor meinem inneren Auge ab, eine verschwommene Abfolge von düsteren Erinnerungen. Ich spürte plötzlich wieder jeden Schmerz, jede Angst, jedes Bedauern durch meinen Körper rasen. Und vor mir stand Tracy, meine Rivalin, meine Feindin, und dennoch die einzige Person, die diesen Moment mit mir teilen konnte. Wir waren wie müde Soldatinnen, die in derselben aussichtslosen Schlacht kämpften.
    Ein elektrischer Impuls schoss zwischen uns hin und her, ein flaues Gefühl im Magen, Panik, die uns in der Kehle brannte, ein boshafter Schatten, der sich über unser Herz legte. Nur wir konnten ihn verstehen, diesen Energiestrom zwischen uns, diesen Ort. Wir wandten gleichzeitig den Blick ab, weil wir es nicht länger ertrugen.
    Unten angekommen wurde mir die Brust eng. Der klamme, moderige Geruch war noch derselbe. Die Ketten waren zwar verschwunden, aber aus den Wänden ragten bedrohlich wie eh und je die eisernen Ringe. Auch die Kiste stand fest verschlossen in ihrer üblichen Ecke. Es war niemand zu sehen.
    Beim Anblick der Kiste verkrampfte sich mein Magen. Dort stand der Beweis dafür, dass es wirklich passiert war, dass ich Jennifer tatsächlich verloren hatte. Der Beweis aus Holz und Nägeln und Qualen. Unvorstellbar, und dennoch unbestreitbar.
    Gerade, als auch Adele die unterste Treppenstufe erreicht hatte, erklang erneut das Klopfen. Dieses Mal hörten wir, dass es aus der Kiste kam. Ich fing unwillkürlich an, auf einen wiederkehrenden Rhythmus zu lauschen. Wie damals, als Jennifer sich in der Kiste befunden hatte.
    Adele machte auf dem Absatz kehrt und wollte wieder die Stufen hinaufrennen, aber bevor sie es auch nur zur Hälfte der Treppe schaffen konnte, packte Tracy ihren Arm und hielt sie fest.
    »Nichts da, Adele. Mitgefangen, mitgehangen«, sagte sie.
    In diesem Moment sahen wir eine Bewegung am Ende der Treppe und blickten nach oben. Christine stand auf dem Treppenabsatz und umklammerte den Besenstiel, als hinge ihr Leben davon ab. Ihr Gesicht

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