Danach
mit aller Macht gegen sie zu drücken. Endlich brach das Ende eines Bretts ab und gab den Blick auf ein offenes Feld frei, hinter dem der Wald begann. Es war das Schönste, was ich je gesehen hatte, lockend rief mich dieser Anblick in die Freiheit.
Ich hämmerte immer fester mit den Fäusten gegen das Brett, und irgendwann vor lauter Frust auch mit dem Kopf. Dabei zog ich mir eine Schnittwunde über dem Auge zu, aus der Blut über mein Gesicht rann. Verzweifelt leckte ich danach, weil ich hoffte, dass es meinen Durst ein wenig stillte.
Obwohl das Brett morsch war, schien es fest zwischen den anderen Brettern verkeilt zu sein. Ich war kurz davor, aufzugeben und mich neben Jennifer auf die Erde zu legen und zu sterben. Vielleicht trafen wir uns ja im Jenseits wieder. Aber wenn ich das tat, würden meine Eltern nie erfahren, was passiert war. Ich würde niemandem erzählen können, was Jennifer alles hatte erleiden müssen, würde niemals erreichen, dass Jack Derber seiner gerechten Strafe zugeführt wurde. Vor allem dieser letzte Punkt spornte mich an und half mir, noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren.
Irgendwann hatte ich das Brett weit genug nach außen gestemmt, dass ich beinahe die Schultern durch die Öffnung zwängen konnte. Aber eben nur beinahe. Ich musste mich irgendwie umdrehen, damit ich mit den Füßen an das Brett kam und dagegentreten konnte. Die Leiche hatte ich so weit es ging ans andere Ende der Kiste geschoben, aber der Platz reichte dennoch nicht. Ich musste Jennifer regelrecht umarmen, um mich umdrehen zu können.
Der Gestank war überwältigend, aber damit wäre ich klargekommen. Die Starre ihres Körpers und die Kälte ihrer Haut waren viel schwerer zu ertragen. Ich weinte, aber es kamen keine Tränen. Mein Körper hatte keine Flüssigkeit mehr übrig.
Als ich es endlich geschafft hatte, mich umzudrehen, zog ich die Knie an und trat mit dem Rest Kraft, der noch in meinen schwächlichen Beinen verblieb, immer wieder gegen das Brett. Dabei stießen meine Knie jedes Mal den Leichnam zur Seite. Es war ein makabrer Tanz, den wir da aufführten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit löste sich das Brett plötzlich von der Wand, einfach so. Mein Herz schlug schneller, und ich ballte die Hände zu Fäusten. Mit geschlossenen Augen drehte ich mich erneut an der Leiche vorbei um und bereitete mich auf den Ausstieg vor. Das Brett war zwar breit gewesen, aber ich passte trotzdem nur mit Mühe und Not durch die Öffnung. Ausnahmsweise war ich Jack einmal dankbar für meinen ausgemergelten Körper.
Nachdem ich mich ins Freie gezwängt hatte, drehte ich mich um und schob das Brett so gut es ging an seinen Platz zurück. Ich wollte so viel Vorsprung wie möglich herausschlagen. Vielleicht hatte er Videokameras im Wald installiert, und die Sache mit der Kiste war nur ein weiteres Spiel, ein perverser Zeitvertreib. Mir war klar, dass ich noch lange nicht in Sicherheit war.
Der direkte Weg zur Straße führte vermutlich die Auffahrt hinunter, aber ich durfte nicht riskieren, Jack vors Auto zu laufen, falls er wider Erwarten beschlossen hatte, noch einmal nach Hause zurückzukommen.
Also entschied ich mich für den Wald. Auf dem Weg dorthin blieb ich unschlüssig stehen und überlegte, ob ich die anderen sofort befreien sollte. Aber in meinen Augen war das Haus eine tödliche Falle, und eine eigenmächtige Befreiungsaktion erschien mir daher viel zu riskant. Außerdem wusste ich, dass die Kellertür mit einem Kombinationsschloss ausgestattet war, dessen Code ich natürlich nicht kannte, und dasselbe galt vermutlich auch für die Haustür. Aber ich würde jemanden herschicken, sobald ich zurück in der Zivilisation war. Ich wusste ja, dass es aller Voraussicht nach noch vier Tage dauerte, bis er zurückkam und meine Flucht entdeckte.
Also rannte ich in den Wald davon, oder strauchelte vielmehr. Meine Fußsohlen hatten längst ihre schützende Hornhaut verloren, und so spürte ich jeden Stein und jeden Ast. Aber ich achtete nicht auf meine schmerzenden, blutigen Füße, sondern rannte einfach so schnell ich konnte den Berg hinunter. Das Adrenalin sorgte dafür, dass ich das Gefühl hatte zu fliegen.
Als ich fast am Fuß des Abhangs angekommen war, stieß ich auf einen Bach, aus dem ich trank, wie ich noch nie in meinem Leben getrunken hatte. Es war dieser Moment, der mir bewusstmachte, dass ich überleben würde, der mich zum ersten Mal seit drei Jahren wieder Freude empfinden ließ. Nachdem ich getrunken
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