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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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Gebäude herumgegangen, um durch ein Fenster hineinzuspähen. Sie hat erst einen Brief auf einen Tisch gelegt und dann ein paar Türen überprüft. Nach einer Weile habe ich all meinen Mut zusammengenommen und bin auf Zehenspitzen ins Haus geschlichen.
    Natürlich hatte ich Angst. Ich wusste, dass das Jack Derbers Haus ist, aber es hätte ja sein können, dass Sylvia irgendwie Hilfe braucht … und wenn ich ganz ehrlich bin, hat mich einfach interessiert, was sie da macht. Also bin ich in die Bibliothek geplatzt und habe ihr gestanden, dass ich ihr gefolgt bin, weil ich mir Sorgen um sie gemacht habe. Und ich habe ihr gesagt, dass ich froh bin, sie wohlauf zu sehen.
    Ihr Gesicht machte mir wirklich Angst, es war vollkommen ausdruckslos. Sie schüttelte den Kopf und sagte, dass ich das nicht hätte tun dürfen und dass es ihr leidtue. Dann machte sie einen Schritt auf mich zu und zog eine Pistole. Nachdem sie noch einmal wiederholt hatte, wie leid es ihr tue, zwang sie mich, vor ihr in den Keller hinunterzugehen. Hier hat sie mich gefesselt und …« Er brach ab und fing an zu schluchzen. »Ich kann es immer noch nicht glauben: Sie hat mich einfach hier zum Sterben zurückgelassen. In einer engen, kleinen Kiste. Sylvia.«

36
    Als wir zurück in der Bibliothek waren, saßen wir schweigend da und wagten es nicht, einander anzusehen. Während quälend langsam die Minuten verstrichen, versuchten wir, die Wahrheit zu begreifen. Sylvia war nicht das Opfer, für das wir sie gehalten hatten. Sie hielt uns hier in diesem Haus gefangen. Sie war hier gewesen – alleine – und hatte die tödliche Falle für uns vorbereitet.
    Ray ging es sehr schlecht, vielleicht auch weil er noch immer geschockt war von dem, was wir ihm erzählt hatten. Wer wir wirklich waren und warum wie hier waren. Aber während wir Ray das erzählt hatten, war uns allen nur noch klarer geworden, dass uns nichts anderes übrigblieb, als darauf zu warten, dass Jacks unheilvoller Plan Gestalt annahm.
    Unser Schweigen dauerte an, bis Christine leise zu jammern begann, und dieses Jammern zu einem gleichmäßigen, unverständlichen Murmeln anschwoll. Ich kannte dieses Murmeln. Es versetzte mich zurück in den Keller, zu ihrem ständigen Tuscheln und Raunen, das ich damals zu ignorieren gelernt hatte. Aber nicht nur ihr machte das Haus zu schaffen, auch in Tracy und mich drang es ein und verwandelte uns Stück für Stück zurück in die Mädchen von damals.
    Ich hatte Angst vor dem, was passieren würde, wenn die Verwandlung vollkommen war.
    Dann verstummte Christine plötzlich ohne Vorwarnung und stand auf. Argwöhnisch beobachteten wir, wie sie in die Mitte des Raumes trat.
    Sie sah aufgewühlt aus und umklammerte ihre Hände, aber ihre Stimme war ganz ruhig, als sie anfing zu reden.
    »Sylvia ist nicht die Einzige hier, die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Ich bin genauso schuldig.« Sie hielt inne, um Kraft zu schöpfen. Mit angehaltenem Atem saß ich da und fragte mich, was sie uns wohl zu beichten hatte.
    »Damals, als wir im Keller waren, habe ich mich nicht getraut, es euch zu sagen, weil ich mich so geschämt habe. Ich war mir sicher, dass ihr mich nicht verstehen würdet, aber jetzt … jetzt muss ich es einfach loswerden. Bevor es zu spät ist. Das alles hier« – sie machte eine ausladende Geste, und wir verstanden sofort, dass sie nicht nur die Bibliothek meinte – »ist meine Schuld. Ich bin der Auslöser für alles, was in diesem Haus passiert ist.«
    Sie schwieg einen Moment und wappnete sich für die nun folgenden Worte, die sie nur unter Qualen hervorzubringen schien.
    »Als ich noch studiert habe – bei ihm studiert habe –, war ich nicht nur seine wissenschaftliche Hilfskraft, sondern auch seine … Geliebte. Ich war davon überzeugt, dass ich ihn liebte, und dachte, er würde mich ebenfalls lieben.«
    Wir starrten sie fassungslos an. Ich vermochte mir nicht einmal ansatzweise vorzustellen, wie man Jack gegenüber zärtliche Gefühle oder körperliches Verlangen verspüren konnte.
    Mühsam kämpfte Christine gegen ihre Tränen an, fest entschlossen, ihre Beichte zu Ende zu bringen.
    »Ich war eine naive Idiotin und habe mich von ihm in dieses Haus locken lassen. Das war der Anfang von allem«, stieß sie bitter hervor. »Ich war sein verdammtes Versuchskaninchen, und nachdem ich mich nicht heftig genug gewehrt habe oder davongelaufen bin, hat er sich wohl sicher gefühlt und euch ebenfalls hierhergeholt.«
    Christine ging zu der

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