Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
mächtigsten Artefakte, die die Welt je gesehen hat. Nach der Zeremonie heute Nacht wird jeder unserer Gäste zwanzig Exemplare mit sich nehmen. Das Verteilen soll sofort beginnen. Innerhalb von einem Jahr wird dieses abgeschmackte Land unter meiner Kontrolle sein und dann …«
»Darf ich es sehen? Kann ich eins anfassen?«
Austerly Fellows nahm eine Brechstange vom Boden, um einen der Deckel aufzustemmen. Doch dann überlegte er es sich anders. »Nach der Zeremonie.«
»Aber komme ich denn auch darin vor? Du hast gesagt, vielleicht würdest du das tun.«
»Noch immer auf der Suche nach Unsterblichkeit«, stellte er kalt fest. »Die Porträts und die Fotografien, Skandale und Zeitungsausschnitte sind dir noch immer nicht genug? Was für einen unersättlichen Appetit du doch hast – so wichtig ist es dir, dass man sich an dich erinnert.«
»Bin ich auch drin?«, hakte sie nach.
Er gluckste ausweichend. »Jeder kommt darin vor. Und die wenigen Anomalien, die Abweichler, die aus der Reihe tanzen, werden auch ihren Nutzen haben. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Jede mögliche Wendung habe ich bedacht. Und was dich angeht, meine Gespielin mit den Honiglippen und den üppigen Hüften: Ja, du kommst auch darin vor.«
»Als deine Gefährtin, als die Hohepriesterin Labella? Wie du es mir erzählt hast?«
»Nein, die Rolle hat nicht wirklich zu dir gepasst. Ich habe mich für eine Figur entschieden, die mir angemessener schien. Einen Charakter, in den ich all deine ehemaligen Wesenszüge gelegt habe. Die liebenswürdigen und sanften Elemente deiner Natur, die unwiderstehlich waren für einen Unhold wie mich – das Gute in dir, das ich aus deiner zugrunde gerichteten Seele herausgequetscht habe –, das habe ich einfließen lassen.«
»Aber wenn nicht Labella … wer dann? Eine Königin?«
Seine dunklen Augen funkelten. »Ich habe aus dir eine gute Fee gemacht, allerdings eine, die tragischerweise behindert ist.«
Irene war sich nie ganz sicher, wann er sich über sie lustig machte. »Eine gute Fee?«
»Eine sehr alte und angeschlagene«, stichelte er. »Mit einem Gesicht wie ein verschrumpelter Apfel, dem der Saft ausgegangen ist. Ein verbrauchter Anachronismus, der keinem mehr nützt. Sie hat sich vom Hofe zurückgezogen und lebt von allen verlassen im Wilden Wald.«
Seine herzlosen Worte taten weh. Irene war schon eine ganze Weile bewusst, dass sie ihn allmählich langweilte. Doch der Gedanke, ohne ihn zu leben, war unerträglich, so sehr war sie ihm verfallen.
Er streichelte die Kisten liebevoll, dann stolzierte er davon. »Die Zeremonie muss augenblicklich beginnen«, wies er an. »Sind alle da?«
»Ja, sie sind da.«
»Dann informiere den Inneren Zirkel. Die Zeit ist reif.«
Irene warf einen letzten zögerlichen Blick auf die Kisten. »Heute Nacht wird doch alles gut gehen, oder? Die heilige Feier ist sicher.«
»Von allem, was ich je getan habe«, antwortete er todernst, »war nichts gefährlicher.«
Estelle wollte eben mit Simon zur Party zurückkehren, als ihr plötzlich der Atem stockte und sie von namenlosem Grauen überwältigt wurde. Sie spürte die Ankunft von Austerly Fellows wie die ersten Wellen eines Fiebers. Augenblicke bevor er und Irene den Keller verließen, ergoss sich seine bösartige Aura bereits in den Flur. Als er erschien, rückte Estelle näher an Simon heran. Der kahl geschorene Mann in der Mönchskutte drehte sich zu ihr um und blickte sie an.
Als sie in die Abgründe dieser unbarmherzigen Augen sah, hielt die Zeit an und das Universum kam zum Stillstand. Diese Finsternis konnte keine noch so strahlende marokkanische Laterne durchbrechen. Als kleines Mädchen war Das Dschungelbuch Estelles Lieblingsgeschichte gewesen – mit einem Mal wusste sie genau, wie es sich anfühlte, vom hypnotisierenden Blick der Schlange Kaa gebannt zu sein.
Das Raubtier glitt auf sie zu. »Vorzüglich«, schnurrte Austerly Fellows. »So eine naive Unschuld in einer so zerbrechlichen und schönen Hülle. Eine aufgeschreckte Nymphe … frisch aus einem griechischen Hain gekrochen … ein einziges harsches Wort nur und sie würde verkümmern.«
»So unschuldig bin ich nicht, Mr Fellows.« Endlich hatte Estelle ihre Stimme wiedergefunden und sonnte sich in seiner Aufmerksamkeit. »Oder darf ich Sie AF nennen? Das mache ich insgeheim sowieso schon, also kann ich es Ihnen auch ins Gesicht sagen.«
Die Mundwinkel des grausamen Mundes zuckten. »Ihr habt mich in Eurer Gewalt, Nymphe«, sagte er
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