Daniel Taylor und das dunkle Erbe
Bruder! Noch gehört er dir nicht!«
Sirina grinste überheblich. »Weiß steht ihm überhaupt nicht. Diese Krankenhauskleidung ist einfach scheußlich.« Ruckartig zog sie die Decke nach unten. »Als zukünftiger Herrscher der Unterwelt braucht er eine Frau an seiner Seite, die etwas von Mode versteht.«
»Es wird Zeit, ihn zurückzuholen, findest du nicht?« Marla trat ans Kopfende. »Sein Geist irrt schon seit Stunden in der Zwischenwelt umher, das könnte bleibende Schäden an seinem Körper hinterlassen.«
Lasziv lächelnd erwiderte Sirina: »Das wäre wirklich schade.«
Daniel schwebte durch die Finsternis. Das Einzige, was er erkannte, waren wabernde Schleier. Flüsternde Stimmen flitzten wie Lichtblitze an ihm vorbei – manchmal verstand er, was sie sagten, ein anderes Mal hatte er Bilder vor Augen. Grausame Bilder, voller Leid und Gewalt. Er schnappte sogar Gefühle auf, doch es ging bloß um Täuschung, Macht oder Ansehen.
Gerade eben hatte er noch in seinem Zimmer gelegen und sich vor Schmerzen gekrümmt; eines wusste er daher mit Sicherheit: Nur Marla oder diese andere Hexe konnte dahinterstecken, dass er jetzt an diesem seltsamen Ort war. Er erinnerte sich: Marla hatte ihn unsanft aus dem Schlaf geholt, während eine andere junge Frau ihm die Decke bis zu seinen Shorts heruntergezogen hatte. Sie hatten ihn überreden wollen, sie in seinen Kopf zu lassen. Anscheinend war ihnen das gelungen.
Das Letzte, was er mitbekommen hatte, war, wie sich seine Zimmertür öffnete und er hoffte, seine Mutter würde ihn nicht in diesem Zustand vorfinden, aber es war Vanessa. Als sich ihre Arme um ihn legten, wusste er, dass ihm nichts passieren konnte. Sie war da, sie würde ihn beschützen. Seine Mauern waren eingestürzt, und sofort hatte er das Bewusstsein verloren.
Eine lange Zeit war Daniel wie schwerelos in diesem seltsamen Zwielicht aus Bildern, Gedanken und Empfindungen geschwebt und hatte gehofft, nur zu träumen, doch als er jetzt seine Augen aufschlug und einen feuerroten Schopf erblickte, wusste er gleich, dass die Dämonen schuld an seinem Zustand waren. Frustriert stöhnte er.
»Wo war ich?« Pfeilschnell richtete er sich auf, wobei sich der weiße Raum um ihn drehte. Verdammt, sein Schädel drohte gleich zu zerspringen! »Wo zur Hölle …« Ich bin in einem Krankenhaus! , erkannte er und rieb sich über eine juckende Stelle an seinem Arm. Als er hinsah, liefen ein paar Tropfen Blut aus einer kleinen Wunde. Dann bemerkte er die Infusion an einem Ständer neben sich.
Seine Wunden heilen schneller als bei einem gewöhnlichen Menschen , hörte er Sirina in seinem Kopf.
Marla nickte.
»Was habt ihr mit mir gemacht?« Daniels Herz raste.
»So viele Fragen, mein Süßer«, sagte Sirina.
Marla schob sie zur Seite. »Die Oberen haben deinen Geist vom Körper getrennt und ihn mit ins mentale Netzwerk genommen. Sie mussten es schließlich mit Gewalt tun, da du es nicht zugelassen hast. Jetzt bist du daran angeschlossen.«
»Was?!« Daniel hatte sich schon gefragt, was für Stimmen und Bilder das gerade in seinem Kopf gewesen waren. O Gott, sie haben es also tatsächlich geschafft! Er fühlte sich, als hätte jemand seine Psyche vergewaltigt. »Die Oberen?«, fragte er vorsichtig und schwang die Beine über den Rand des hohen Bettes. Dabei rutschte ihm das aufgeknöpfte Nachthemd über die Schultern, woraufhin er einen sehnsuchtsvollen Blick von Sirina erntete.
»Die Oberen sind mächtige Dämonen und die begabtesten Gedankenleser des Hohen Rates«, erklärte Marla. »Du musst versuchen, ihre Signaturen in einem Teil deines Gehirns abzulegen, so wie in einem Dateiordner eines Computers.«
»Aha«, machte er, weil er bloß mit halbem Ohr zuhörte und sowieso nichts von alldem verstand. Er wollte nur noch von diesen verrückten Weibern weg, die irgendwas Unheimliches mit ihm angestellt hatten. Daniel fühlte sich plötzlich so anders. In seinem Kopf drehte sich alles, und es kribbelte an den ungewöhnlichsten Körperstellen. Automatisch steuerte er auf einen schmalen Schrank zu, in dem tatsächlich seine Anziehsachen lagen. Danke, Mom , dachte er, als er das Hemd ablegte und schnell in seine Unterhose schlüpfte, wobei er penibel darauf achtete, dass er Sirinas lüsternen Blicken nicht zu lange ausgesetzt war. Anscheinend war er nicht schnell genug, denn er hörte, wie Marla hinter ihm fauchte: »Sirina, hör auf, seinen Arsch zu begaffen!«
Sirina kicherte. »Er hat den Körper eines künftigen
Weitere Kostenlose Bücher