Daniel Taylor und das dunkle Erbe
mehr Macht und Anerkennung, und nur die Besten und Stärksten unter ihnen durften neben dem Herrscher Xandros die Unterwelt regieren. Der Rest lebte zusammengepfercht in den untersten Ebenen, und wer sich nicht dem Willen des Herrschers unterwarf, war so gut wie tot.
Die smaragdgrüne Farbe des Stoffes bildete einen schönen Kontrast zu Sirinas feuerrotem Haar, das ihr in einer wilden Mähne über die Schultern fiel. Sie klappte ihren schwarzen Spitzenfächer zusammen, in dem gefährlich scharfe Klingen steckten, glitt geschmeidig vom Bett und stellte sich neben das Kopfende, wobei sie Vanessa und Anne argwöhnisch betrachtete.
»Nun haut endlich ab, ihr Schlampen!« Sirina hatte Großes mit ihrem »Daniel« vor. »Bald kommt Silvan zu mir in die Unterwelt.« Endlich würde er ihr Gemahl werden. Es war ihnen vorherbestimmt.
Auch Marla hüpfte vom Krankenbett, um sich neben Sirina zu stellen. »Hat der Rat schon zugestimmt? Immerhin ist Silvans Verwandlung nicht abgeschlossen. Solange er noch einen Teil Menschlichkeit in sich trägt, werden sie einer Vereinigung sicher nicht zustimmen.«
»Noch nicht«, zischte Sirina und klappte erneut ihren Fächer auf, um sich hektisch Luft zuzufächeln. »Aber das wird er. Ich konnte Antheus schon fast davon überzeugen. Bald frisst er mir aus der Hand.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, murmelte Marla. »Du würdest viel besser zu Antheus passen.« Antheus, ein mächtiger, groß gewachsener Dämon, war ebenso listig und machtbesessen wie Sirina. Jeder wusste, dass er es auf den Thron abgesehen und sich bereits als zukünftiger Herrscher gesehen hatte. Er war Xandros’ Zweitgeborener, weshalb ihm nach dem Tod seiner älteren Schwester Kitana dieses Recht als Nächstem zustand. Doch dann war die Nachricht eingetroffen, dass Marla ihren Halbbruder gefunden hatte. Die Prophezeiung des Orakels machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Jetzt war Antheus natürlich stinksauer, und ein wütender Dämon sollte nie unterschätzt werden.
»Ich will Antheus nicht!« Sirina stampfte mit dem Fuß auf und verschränkte die Arme. »Ich will Silvan, denn er ist unser zukünftiger Anführer!«
Und ich will diesen James Carpenter , ging es Marla durch den Kopf. Dieser Mann war daran schuld, dass sie ihre Mutter umgebracht hatten. Verflucht noch mal, sie musste ihn knapp verpasst haben! Es war zum Verrücktwerden! Er war hier gewesen, in diesem Haus! Das wäre ihre Chance gewesen, doch anscheinend war sie wirklich zu nichts zu gebrauchen, wie Metistakles ihr immer eintrichterte. Ich werde es ihnen schon zeigen, ihnen allen! Über Silvan könnte sie an Carpenter herankommen. Wenn die Zeit dafür reif war …
Zu ihrer Erleichterung machten sich die Menschentussi und Silvans Ziehmutter auf den Nachhauseweg. »Wir können nichts weiter für ihn tun«, sagte Anne. »Das Krankenhaus ruft mich an, sobald sich sein Zustand ändert.«
»Gibst du mir sofort Bescheid?« Vanessa wirkte sehr niedergeschlagen, und man sah ihr an, dass sie nur ungern von Silvans Seite wich.
»Natürlich. Er wird dich sehen wollen, wenn er aufwacht.« Anne legte einen Arm um Vanessas Schultern und zog sie zur Tür. »Jetzt braucht er seine Ruhe. Die Ärzte vermuten, er könne vielleicht etwas von seiner Umgebung mitbekommen, und da tut es ihm bestimmt nicht gut, wenn wir beide ihm ständig ins Ohr heulen.«
»Meinst du, er möchte mich wirklich sehen?«
Anne spielte unter gesenkten Lidern an ihrem Taschentuch. »Ich muss gestehen, dass ich euch gestern beobachtet habe. Ihr beide habt sehr verliebt ausgesehen.«
Marla bemerkte verärgert, wie Vanessas Gesicht rot anlief. Diese Menschentussi ist total verknallt in Silvan!
»Du weißt doch, wie Mütter sind: Wir können nicht einschlafen, bevor unsere Kinder wohlbehalten zu Hause ankommen.« Anne schob Vanessa zur Tür hinaus.
Sirina zischte, denn Marla hatte ihr genau erzählt, was sich zwischen Silvan und dieser Menschentussi ereignet hatte. Als die Dämoninnen endlich unter sich waren, begann Marla, den Schlauch aus Silvans Arm zu entfernen, während ihm Sirina das Nachthemd aufknöpfte, um die Elektroden abzureißen. Das Gerät über Silvans Kopf schlug Alarm, aber Sirina brachte es mit einer Handbewegung zum Schweigen, bevor sie sich wieder Silvan zuwandte. Mit ihren langen, rot lackierten Fingernägeln fuhr sie ihm schnurrend wie eine Katze über die entblößte Brust.
Marla gab einen fauchenden Laut von sich. »Verdammt, Sirina, lass die Finger von meinem
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