Daniel Taylor und das dunkle Erbe
Kind wünschte. Doch ich habe gespürt, wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen ist, Nessa.« Anne lehnte sich vor und sagte in einem leiseren Tonfall: »Ich habe ihn beobachtet, als er sich von Danny verabschiedet hat. Er hat fürchterlich geweint.«
Auch Vanessa liefen nun Tränen über die Wangen. »Warum kennt Danny ihn nicht?« Er hatte ein Recht, seinen richtigen Vater kennenzulernen.
Anne holte tief Luft und zuckte mit den Schultern. »James wollte nicht, dass er erfährt, dass er adoptiert ist.«
»Warum?« Nessa verstand nicht, wie jemand sein Kind einfach hergeben konnte.
»Er meinte, es wäre für alle Beteiligten das Beste. Ich spürte, dass er mir etwas verschwieg, aber ich wollte nicht nachbohren. Damals war ich so glücklich, endlich ein Kind zu haben, da war mir alles andere egal. Ich habe nicht mal nachgefragt, woher er die Adoptionspapiere hatte. So einfach funktioniert das nämlich nicht, es gibt gesetzliche Bestimmungen.«
»Mit viel Geld geht alles«, warf Vanessa ein.
Anne nickte. »Ja, das war auch meine Erklärung. Vielleicht haben seine Eltern ihm das Geld gegeben. Sie leben übrigens immer noch in Little Peak, am anderen Ende der Stadt, in meiner früheren Wohngegend.«
»Daniels Großeltern«, murmelte Vanessa.
»Danny weiß nichts davon. Er denkt, es sind Freunde der Familie. Sie haben uns ab und zu besucht.«
Ein Lächeln huschte über Annes Gesicht. Sie putzte sich geräuschvoll die Nase und erzählte weiter: »James gab mir eine Handynummer, unter der ich ihn im Notfall erreichen konnte, sollte Danny noch einmal sein Blut benötigen. Also habe ich ihn angerufen, bevor der Krankenwagen gekommen ist.«
Vanessa richtete sich auf ihrem Sitz auf. »Hast du ihn gesehen? Ist er noch hier?« Gespannt hielt sie die Luft an.
»Wir haben uns nur kurz begrüßt. Es war seltsam, ihn nach all den Jahren wiederzusehen. Fast so, als wäre er nie weg gewesen.« Anne blickte über das Krankenbett auf die Tür. »So schnell, wie er hier war, glaube ich, er lebt irgendwo in der Nähe«, sagte sie mehr zu sich.
Zu gern hätte Vanessa Daniels richtigen Vater auch kennengelernt, aber sie war erst ein wenig später ins Krankenhaus gekommen. Sie hatte nicht mit dem Krankenwagen mitfahren können und den ganzen Weg mit dem Fahrrad zurückgelegt.
Anne seufzte. »Als James ging, habe ich kurz mit ihm gesprochen und ihm gesagt, dass ich Danny bald aufklären werde. James hielt es für keine gute Idee, aber ich werde es so schnell wie möglich nachholen. Danny hat ein Recht zu erfahren, wem er sein Leben verdankt.«
Vanessa nickte zustimmend, doch sie musste die Neuigkeiten erst mal verdauen. Sie wollte sich nicht ausmalen, wie Daniel sich fühlte, wenn Anne ihm die Wahrheit erzählte.
»Jetzt kannst du dir auch vorstellen, warum Peter sich nicht bei Danny meldet. Wie ich über meinen Anwalt gehört habe, bekommt er mit seiner neuen Frau ein Baby. Und da Danny nie sein leiblicher …« Anne wurde von tiefen Schluchzern geschüttelt, woraufhin Nessa sofort an ihre Seite kam und sie umarmte.
Mit tränenüberströmtem Gesicht blickte Anne zu Vanessa auf und hielt sie fest. »Ach, Nessa, Danny ist alles, was ich noch habe, er ist mein Leben!«
»Es wird alles gut werden«, beruhigte Vanessa die zitternde Anne, wobei sie ihre Tränen aus den Augen blinzelte. »Danny ist stark, er wird es schaffen.« Er muss es einfach schaffen, denn er ist auch mein Leben.
Marla saß mit ihrer dämonischen Freundin Sirina am Fuß des Krankenbettes, wo sich die beiden jungen Frauen an Vanessas und Annes Leid ergötzten.
»Tja, verabschiedet euch schon mal von eurem Danny-Boy. Wir werden ihn bald holen, und da werdet ihr zwei Heulsusen nichts gegen unternehmen können.« Sirina lachte laut auf und wedelte sich mit ihrem Fächer Luft zu. Hätten Anne und Vanessa die zwei Frauen sehen können, hätten sie bestimmt geglaubt, sie kämen von einer Kostümparty … oder wären aus einem Irrenhaus ausgebrochen. Während Marla wie immer in ihrem Punk-Outfit mit den zerrissenen Netzstrumpfhosen steckte, sah Sirina wie eine Lady aus dem 18. Jahrhundert aus. Sie trug ein dunkelgrünes Kostüm aus fließendem Stoff, das eng an der Taille anlag, aber es handelte sich dabei nicht um ein Kleid, sondern um einen Hosenrock. Als Dämonin brauchte sie schließlich ihre Bewegungsfreiheit, denn Kämpfe waren ein natürlicher Bestandteil ihres Lebens. Die Rangordnung in der Unterwelt wurde täglich aufs Neue ausgelotet. Jeder strebte nach
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