Daniel Taylor zwischen zwei Welten
einen mentalen Schlag.
Ein heftiger Stich, der sie auf die Knie zwang, zuckte durch Marlas Gehirn. Sie unterdrückte einen Laut und versuchte, den beißenden Schmerz zu ignorieren, der langsam in ein dumpfes Pochen überging. Marla hatte nie gelernt, wie sie ihre Gedanken ganz vor den Oberen verschließen konnte. Die hatten dafür gesorgt, dass sich nicht alle dämonischen Fähigkeiten bei ihr entwickelten. Als Strafe für das Versagen ihrer Mutter Kitana. Daher hatte sie Metistakles nichts entgegenzusetzen.
»Silvan ist jetzt beim Hohen Rat. Warum seid Ihr nicht dort, Herr?«, wagte sie vorsichtig zu fragen. Vielleicht würde er gleich verschwinden.
Aber Marlas Hoffnungen erfüllten sich nicht.
»Ich bin hier derjenige, der die Fragen stellt!« Metistakles stand auf und zog sie zu sich, wie all die letzten Monate zuvor, seit er von ihrem Vater Obron die Erlaubnis bekommen hatte, ihre Erziehung weiterzuführen.
Marla hatte gedacht, sie dürfe von Metistakles lernen, denn außer den nötigsten Fähigkeiten, wie Portale zu erzeugen, beherrschte sie kaum dämonische Fertigkeiten. Stattdessen musste sie stillhalten, ihm Gehorsam leisten, wann immer er wollte. Er zeigte ihr, wo ihr Platz war, ließ sie lediglich niedere Arbeiten verrichten, Botengänge machen. Er hielt sie absichtlich dumm. Sie durfte nichts lernen außer Demut.
Marla kniete immer noch vor ihm, und Metistakles griff in ihr Haar, um sie grob an sich zu reißen. Sofort zog Marla sich mental ganz tief in sich zurück. Dort hatte sie sich schon vor Wochen einen Ort geschaffen, an dem sie Metistakles’ Misshandlungen überstehen konnte. Denn sie konnte nirgendwohin fliehen. Metistakles würde sie überall finden, und seine Rache wäre grausam. Marla war seine Leibeigene, eine Sklavin seines Willens. Daher fügte sie sich in ihr Schicksal, in der Hoffnung, eines Tages wie versprochen aus seinen Diensten entlassen zu werden, wenn sie ihren Auftrag erledigt hatte. Falls sich ihr Bruder dafür entschied, in der Unterwelt zu bleiben, hätte sich der erste Teil der Abmachung erfüllt. Dann galt es nur noch mit Silvans Hilfe James Carpenter ausfindig zu machen und den Mann zu töten, der Marlas Mutter und daher auch ihr all das Leid eingebrockt hatte. Denn weil Silvan zur Hälfte ein Wächter war, konnte er James trotz des magischen Horus-Amulettes, das er immer bei sich trug und das ihn für dämonische Augen unsichtbar machte, sehen. Daher war Silvan für die Dämonen doppelt wertvoll.
Es war Kitana gewesen, die James das Horusauge gegeben hatte! Marla würde alles dafür tun, um den Fehler ihrer Mutter auszubügeln, damit sie endlich eine richtige Dämonin werden konnte, eine, die sich von Seelen ernähren durfte und somit viele Hundert Jahre leben konnte.
Ja, wenn das erledigt war, wäre sie endlich frei …
Nun befand sich Marla in ihrer geistigen Welt, ihrem ganz persönlichen Raum, der wie das Turmzimmer eines Märchenschlosses aussah, wo ihre Mutter, die Marla trotz ihrer Verachtung über alles liebte, wartete, um sie in die Arme zu schließen …
Vanessa war so glücklich, als sie Danny im Pausenhof erblickte, dass sie sofort auf ihn zulief. Er stand etwas abseits hinter einem Baum verborgen und sah noch genauso gut aus wie am Tag zuvor: groß gewachsen mit breiten Schultern, und durch das eng anliegende schwarze T-Shirt zeichneten sich die Konturen seiner Brust ab. Ihm sind keine Hörner gewachsen, Gott sei Dank! , dachte Vanessa. Obwohl Daniel seine verspiegelte Sonnenbrille trug, wusste sie, dass er sie ansah. Sie spürte seine Blicke überall auf ihrem Körper. Vanessas Herz klopfte wild. Ich liebe ihn so sehr!
»Danny!« Überschwänglich fiel sie ihm um den Hals. »Ich bin so froh, dass du wieder da bist!« Er hatte nur die Vormittagskurse verpasst, doch für Nessa waren die letzte Nacht und die Stunden danach die längsten ihres Lebens gewesen. »Ich dachte, du würdest nicht mehr kommen.«
»Ach, Süße…« Dannys Küsse waren stürmisch und feucht. Er legte seine Arme um sie und drehte sich einmal mit ihr im Kreis. Vanessa scherte sich nicht darum, ob andere sie sahen. Im Augenblick existierte außer ihnen niemand sonst auf der Welt.
»Der Unnahbare und meine Freundin, hab ich’s mir doch gedacht!«, drang eine amüsierte Stimme an ihr Ohr, woraufhin sie sofort voneinander abließen.
»Colleen!« Vanessa freute sich, sie nach dem Wochenende wiederzusehen, und begrüßte sie mit einem breiten Lächeln. Sie hatten heute noch keinen
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