Danielle Steel
ließ en ihre Mutter allein.
»Wie soll ich das bloß schaffen, Joe?«, flüsterte Kate und starrte auf die Erde hinab, die nun den Sarg bedeckte. Was sollte sie nun tun? W ie sollte sie mit der Gewissheit weiterleben, dass sie ihn nie wieder sehen würde?
In diesem Mom ent wurde Kate noch einmal zu dem kleinen Mädchen, das vor vielen Jahren seinen Vater beerdigt hatte, und sie spürte, wie die alten Wunden aufbrachen.
Lange Zeit stand sie an Joes Grab und hing ihren Gedanken nach, und plötzlich schien es ihr, als stünde er unmittelbar neben ihr. Er war der Mann, von dem sie immer geträumt hatte. Der
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Held, in den sie sich unsterblich verliebt hatte, als sie noch kaum erwachsen gewesen war. Der Mann, auf den sie gewartet hatte, als er in den Krieg gezogen war. Der Mann, den sie beinahe verloren und dann wie durch ein Wunder vor siebzehn Jahren doch noch wieder gefunden hatte. Es hatte in ihrem gemeinsamen Leben viele Wunder gegeben, doch Joe selbst war das größte gewesen. Kate wusste, dass Joe ihr Herz m it sich genommen hatte. Niemand würde jemals seinen Platz einnehmen. Sie hatten einander alles gegeben. Mit Joe hatte sie die wahre Liebe kennen gelernt, und zugleich hatte er sie gelehrt loszulassen. Als ih re Liebe zu ihm am größten gewesen war, hatte sie ihm die Freiheit gesc henkt, und er war nach Hause zurückgekehrt.
Joe war nun wirklich frei. Er befand sich auf seinem letzten Flug, und ein letztes Mal musste Kate ihn ziehen lassen. Nun würde er sie niemals mehr verlassen, und im Grunde hatte er das sein Leben lang nicht getan. Er war zu ihr gekommen, davongeflogen und wieder zu ihr zurückgekehrt. Er hatte sie immer geliebt, so wie er sie auch jetzt noch liebte und sie ihn. Ihre Liebe war stark, sie brauchte keine Versprechungen mehr. Sie würde sie für den Rest ihres Lebens in ihrem Herzen tragen. Kate hatte gelernt, zurückzustehen, ihn zu nehmen, wie er war, ihn kommen und gehen zu lassen und ihn zu achten. Sie war aus tiefster Seele dankbar für all die Dinge, die das Leben mit Joe sie gelehrt hatte.
»Flieg, mein Liebling«, flüsterte sie. »Flieg … ich liebe dich.« Kate nahm eine einzelne weiße Rose und legte sie auf das Grab. Im s elben Augenblick spürte sie, wie sich ihre Angst auflöste. Sie wusste, dass Joe sich niemals weit von ihr entfernen würde. Er würde fliegen, wie er es immer getan hatte, weit oben im Hi mmel, der nur für ihn bestimmt war. Es war gleichgültig, ob Kate ihn sah oder nicht, denn wo sie auch hinging, er würde immer bei ihr sein. Was er sie gelehrt hatte, würde sie nicht vergessen. Joe hatte ihr gezeigt, wie sie ohne ihn
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weiterleben konnte, und er war ein guter Lehrer gewesen. Kate und Joe hatten sich einander offenbart und in ihrer Liebe die Erfüllung gefunden. Sie hatten einander alles gegeben, und dieses Geschenk würde sie überallhin begleiten.
In ihrer Trauer hatte Kate eine Gewissheit: Joes Liebe zu ihr war unvergänglich wie ihre Liebe zu ihm. Das Leben m it ihm war vorüber, und doch würde es niemals enden.
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