Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
sich nicht leisten, etwas nicht zu mögen, ich weiß«, verdrehte Luise die Augen, schmiss mich einmal in die Luft und nahm mich mit in ihr Zimmer.
Hier erschlug mich fast das Rosa. Ich musste schnell die Augen zusammenkneifen, und vor meinem inneren Auge tauchte Pollys Zimmer auf. Da war es bei Weitem nicht so plüschig. Aber Pollys Haus war eh viel nüchterner eingerichtet, das war sicherlich kein Maßstab. Ebenso kein Maßstab war hoffentlich Luises Zimmer.
Teppich: altrosa
Kleiderschrank: pink, vermutlich selbst gestrichen
Wände: weiß mit rosa Streifen
Bett: wie Kleiderschrank, mit rosa Baldachin nebst Glitzersteinen.
Luise, mich in der rechten Hand, drehte uns einmal im Zimmer herum, schaute anerkennend auf das, was sie da sah, und strahlte mich an: »Geil, ne?«
In so einer Situation war ich noch nicht gewesen. Ich hatte bisher noch nie einen Farbflash erlitten und mich hernach positiv äußern sollen.
»Yep.« Ich machte es kurz.
»Den Schrank und das Bett hab ich selbst gestrichen, die waren braun, uääh, braun! Und dann bin ich meinen Eltern so lange auf die Nerven gegangen, bis ich das rosa machen durfte. Papa hat abgeschliffen, und ich hab die Farbe draufgemacht. Die wollen aber nicht, dass ich ihr Bett auch rosa mache, obwohl ich manchmal noch nachts zu denen rübergehe, wenn ich fies träume, und da fänd ich das viel schöner, wenn das da auch rosa wär, hab ich denen auch gesagt, aber nullomat. Jetzt schlafen die da in Kackbraun, wieso, weiß keiner. Stehen die drauf, kannst ja mal gucken, alle Möbel bei uns: braun. Weil: Holz wär ja braun. Ja, und? Ich bin doch kein Bär im Wald! Man kann doch wohl seine Möbel in seiner Lieblingsfarbe machen! Wer sagt denn: ›Nein, höhö, im Wald ist alles braun, und das bleibt auch so, sonst nehm ichs dir wieder ab.‹ Sagt ja keiner. Na ja. Ich hab ja mein Zimmer.«
Hm. Ich hatte ein ganz anderes Problem. Bis Freitag sollte ich bei Luise bleiben. Würde Luise dann auch bis Freitag so durchreden wie gerade?
»Jetzt zeig ich dir mal, was ich meiner Oma gemacht hab. Die ist megakrank. Nur noch im Bett, echt, nur noch! Die steht gar nicht mehr auf. Pinkeln? Vom Bett aus. Essen? Im Bett. Fernsehen? Bett. Und so weiter. Und weil die immer so viel liegt, muss man die immer drehen, die hat fiese Stellen hinten, vom Liegen. Das ist voll eklig, echt, meine Ma geht da immer hin und dreht die und cremt die ein und so. Die wohnt extra hier drunter, eine Etage tiefer, da braucht die nur aufn Knopf zu drücken, und dann rennt meine Ma los. Manchmal muss ich mit, damit ich sehe, dass man anderen helfen muss, sagt meine Ma immer. Wusst ich eh schon. Trotzdem muss ich da mit. Morgen wieder. Da kommst du mit. Freut die sich bestimmt.«
Das glaubte ich in beide Richtungen nicht: Die Oma würde sich im eben beschriebenen Zustand sehr sicher nicht über den Besuch einer Maus freuen, ebenso wenig wie sich die genannte Maus darauf freuen würde.
»Guck mal, ein Kissen hab ich der gemacht! Die muss ja immer viele Kissen haben, weil die sind ja irgendwann durchgelegen, und dann braucht die ein neues. Guck mal!«
Mir wurde ganz warm ums Herz. Luise setzte mich auf ein krachrosa Kissen mit von Kinderhand aufgesticktem lila Schriftzug »Oma«. Sehr hässlich, sehr rührend. Ich hätte das durchquatschende Mädchen knutschen können. Auch wenn ihr Mitteilungsdrang so etwas war wie ein Dauerton, von Luise ging eine kompakte Energie aus. Sie hatte etwas Engagiertes an sich bei allem, was sie tat und sagte.
Und weiter ging’s: »Ich glaub, da hör ich Papa. Der kommt immer um die Zeit nach Hause. Ich werde wahrscheinlich mal Ärztin. Meine Oma hab ich schon mal gedreht und meinen Vater hab ich auch schon behandelt. Der Papa ist immer total rappelig, total nervös. Immer so grrrrrr. Also, wenn der morgens aufsteht, dann rast der ins Bad, macht im Bad und in der Küche das Radio an, zwei verschiedene Sender aber, und dann hört der gleichzeitig sein Handy ab. Der ist total bekloppt. Meine Ma sagt immer, du machst uns alle mit verrückt, der kann nicht eine Sekunde still sitzen, echt nicht. Und jetzt hab ich was gefunden, wo der…«
»Luise! Kommst du? Und zeig mal dem Papa die Maus!«
Hupps, wurde ich von dem Kissenwunder heruntergenommen, wieder auf die Hand. Tür auf, rüber in die Küche, hier duftete alles nach Gulasch, hmmmm, und nun den Vater kennengelernt.
Von einem Unruhegeist konnte hier aber gar keine Rede sein.
»Hallo, Paps, guck mal, das ist Britta!«
Reiner
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