Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
Jakobs saß am gedeckten Küchentisch und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Zur Begrüßung änderte er diese Haltung nicht, schenkte mir einen müden Blick und sagte: »Hallo, Britta.«
»Hallo, Herr Jakobs.« Ich konnte ja schlecht als Gast des Hauses den Gruß nicht erwidern. Auch wenn ich wusste, dass jetzt wieder das große Staunen einsetzen würde: Was?! Das ist doch eine Maus! Wieso kann die sprechen? Hat die einen Chip drin? Wo kriegt man denn so was?!
Und da ging es auch schon los: »Was?! Das ist doch eine Maus! Wieso kann die sprechen? Hat die einen Chip drin? Wo kriegt man denn so was?!«
»Lieber Herr Jakobs, ich kann mir vorstellen, dass es Sie verwundert, wenn eine Maus das Wort an Sie richtet. Bitte seien Sie so freundlich und akzeptieren Sie einfach diese Gabe, die ich da habe, und freuen Sie sich mit mir. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
Luise kicherte in ihren Gulaschteller hinein, die Frau Mutter starrte mich mit offenem Mund an, aber beim Haushaltsvorstand schienen meine Worte gar keine Wirkung zu zeigen, der gähnte. So umwerfend war mein Kurzauftritt dann also doch nicht gewesen.
»Herrschaften, ich bin zum Umfallen müde!«
Das hätte der Vater gar nicht äußern müssen, in ein müderes Gesicht hatte ich kaum je geblickt. Er hatte in der Zwischenzeit vier Stücke Gulasch gegessen und dazu bereits sechsmal gegähnt.
»Ich bin heute zum Humpe gerufen worden.« Sprach’s und stützte auch schon wieder den Kopf in die linke Hand. Mit rechts wurde noch der Löffel gehalten.
»Sag mal, Reiner, mit dir stimmt doch was nicht! Kannst du dich bitte vor den Kindern mal richtig hinsetzen?!«
Was hatte die gesagt?!
Hatte die Kinder gesagt?? Die hatte eindeutig Kinder gesagt! Die hatte mich tatsächlich in einem Happs so integriert, dass sie ihren Mann jetzt auch für mich aufforderte, ordentlich zu sitzen! Ich saß derweil neben Luises Teller auf dem Tisch und bemühte mich um eine gute Haltung, was dadurch erschwert wurde, dass mir Luise einen Löffel Gulasch über den Kopf geschüttet hatte, als ihre Mutter den Gatten rüffelte, so sehr amüsierte sich das Kind.
Gulaschtropfend raunte ich ihr zu: »Hat die Kinder gesagt? Ja, ne? Die hat Kinder gesagt!« Woraufhin Luise ihrer Mutter in die Seite haute:
»Ey, guck doch mal, wo ist denn hier noch’n Kind?!«
»Ach, ist doch jetzt egal, Mensch, guck dir lieber mal deinen Vater ...«
»... euren Vater!«, sang Luise dazwischen.
»... deinen Vater an, der macht mir richtig Sorgen! Seit Tagen, ach Quatsch, seit Wochen baut der doch ab! Reiner, hast du irgendein Problem? Bedrückt dich was? Du hängst nur noch rum, ganz ehrlich!«
»Genau das wollte der Humpe auch von mir wissen.«
Luise bekam große Augen und schaute zwischen ihren Eltern hin und her.
»Ich bin vor zwei Tagen in unserer Sitzung mit Petersen kurz eingenickt, wirklich nur ganz kurz, aber das war natürlich ... ja, schlecht war das.«
»Du bist eingenickt, Reiner?! Du bist ein-ge-nickt?? Wie, du bist eingenickt?!«
»Ganz kurz, ja, sag ich doch. Da ging es um den Auftrag für den Neubau vom Petersen, hundertzwanzig Büros, und ich bin ..., also, das war einmal Kopf umkippen, und dann war ich auch schon wieder da!«
»Reiner, du bist in einer Sitzung eingenickt!«
»Sagte ich bereits.«
»Eingenickt.«
»Sag es mir noch mal, sonst vergess ich das!«
»Das ist auf keinen Fall lustig, Reiner! Aber auf gar keinen Fall! Eingenickt!«
»Wenn ich das Wort noch einmal höre, setz ich dir ’ne Maus auf den Kopf!«
Ganz tolle Wendung, jetzt sollte ich noch ins Scharmützel ziehen, während sich neben mir Luise auf ihrem Stuhl wand und nicht zu wissen schien, ob sie lachen oder weinen sollte.
»Luise, gehst du bitte mal mit deiner Spielzeug-Maus in dein Zimmer, der Papa und ich müssen uns unterhalten. Das ist nichts für deine Ohren.«
Die ›Spielzeugmaus‹ war wiederum absolut nichts für meine Ohren, aber das sei jetzt mal untergeordnet.
Luise schob daraufhin ihren Teller beiseite, nahm mich wieder auf die Hand und schloss kurz drauf ihre Kinderzimmertür hinter uns.
»Au weia!«
»Das kannst du wohl sagen, deinem Vater geht’s nicht gut, ne?«
»Und ich bin in Schuld.«
»Daran schuld. Nicht: ich bin in Schuld, ich bin daran schuld.«
»Mann, Britta, du bist aber auch ’n bisschen bescheuert, oder was? Ich bin elf! Ich darf so reden! So was kannste ’ner Deutschlehrerin sagen oder was weiß ich, aber doch nicht ..., also, echt! Außerdem bist du ’ne
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