Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
einer Wand ein schöner alter Schreibtisch mit einem schönen neuen Computer darauf stand.
Ein Sprung, dann saß ich neben der Tastatur, und Luise schaltete das Gerät ein. »Wir geben da jetzt mal ›Ritalin‹ ein und dann gucken wir, was damit ist.«
Im nächsten Moment hatten wir ein Riesenangebot an Artikeln, die sich mit dem von uns gesuchten Begriff befassten.
Die Informationen setzten uns über Folgendes in Kenntnis: Ritalin ist ein Medikament, das gibt man Kindern, die sich schlecht konzentrieren, schlecht eine Weile auf ihrem Platz bleiben und schlecht nicht störend auffallen können. Das hieß also, dass man solche Kinder sehr bemerkte, wenn sie kein Ritalin bekommen hatten, und dass man sie weniger bemerkte, wenn man ihnen eine Dosis davon verabreicht hatte.
Aha.
Auf den nächsten Seiten ging das hin und her mit den Einträgen. Ach, du liebe Güte, da hatte die Luise aber etwas angefangen, mit diesem Ritalin!
Ich kannte aus Pollys Erzählungen bis jetzt nur das Beispiel von Felix. Der lebte mit seiner Mutter allein, nachdem der Vater entdeckt hatte, dass ihm so ein Familienleben mit Papa, Mama, Kind irgendwie zu eng war. Der Vater fühlte sich einfach freier, seitdem er Felix nur alle zwei Wochen zu sich holte.
Und weil Felix gern über Tische und Bänke ging, in allem der Schnellste, der Lauteste und der Aktivste war, war seine Mutter lange Zeit von den Lehrern, vom Kinderarzt und zum Schluss vom Kinderpsychiater, wo sie dann gelandet waren, bearbeitet worden, dem Felix endlich Ritalin zu geben. Und weil die Mutter ja neben den ganzen Beschwerden über ihren Sohn, der überall kurz vorm Rausfliegen war, auch mal arbeiten gehen musste, hatte sie ihm wohl irgendwann erklärt, dass er das Zeug ab jetzt nehmen müsse, um nicht irgendwann von keinem mehr gemocht zu werden und damit da mal Ruhe reinkomme. Felix hatte Angst bekommen, dass ihn irgendwann tatsächlich keiner mehr mögen würde und hatte dann eine kurze Zeit lang das Ritalin genommen. Bis ihm davon so schlecht geworden war, dass er lieber nicht gemocht werden wollte, als sich immer kurz vorm Übergeben zu befinden. So hatte Polly es mir jedenfalls erzählt. In dieser Zeit hatte sich auch die Dienstags-Garagen-Gruppe gefunden, und da war offensichtlich die Idee entstanden, dass das Ritalin von Felix doch vielleicht dem stets unruhigen Vater von Luise helfen könnte.
Hoppsassa, aber das war ja ein Mörderzeug! Wusste das Felix’ Mutter eigentlich? Glaubte ich nicht. Die hatte bestimmt einfach gedacht, dass, wenn alle sie so bequatschten, dass ihr Sohn diese Aufmerksamkeits-Krankheit habe und dass der damit der totale Looser in der Gesellschaft werde, sie ja ein Mutterschwein wäre, wenn sie ihm mit dem Mittel nicht helfen würde. Wahrscheinlich war die selbst mit den Nerven runter, immer von der Arbeit wieder zu irgendeinem Lehrer, der sich über Felix beschwerte, und dann nach Hause zu Felix, der in seinem Zimmer kopfüber an der Kletterwand hing.
Wieso war eigentlich noch keiner auf die Idee gekommen, dass man dem Kind zum Runterkommen einfach mal ein kleines Likörchen einschenkte? Dann könnte man wenigstens mitmachen als Mama und Papa und hätte danach auch ein ruhiges Kind. Dazu fand ich hier auf den Internetseiten nichts. Oder alternativ mal einen Joint durch die Familie reichen.
Da würden dann bestimmt alle schreien, was sind das denn für Schweine?! Geben den Kindern Drogen! In den Knast mit denen! Wäre ja auch richtig. Aber sobald da ein Arzt war, der ganz streng sagte, das hier ist ein liebes Gift, das braucht ihr Kind jetzt, dann war das alles zum Kindeswohl.
Ach, ich machte mir hier schon wieder Ihre Gedanken! Ich war doch als Maus letztlich gar nicht betroffen.
Aber Sie müssen mir das schon verzeihen, wenn ich nun mal so dicht dran war an den Geschehnissen, da konnte ich nicht einfach abschalten, wissen Sie?
»Ey, weißte was?«, Luise hatte ihr Redevolumen in der vergangenen halben Stunde bei Weitem nicht ausgeschöpft. Da war sie wieder:
»Britta, jetzt mal echt: Das ist ja ein Elefanten-Mittel! Das darfste ja Kindern gar nicht geben! Das kannste vielleicht ’nem Elefanten geben, boah, wie krass! Weißte was? Ich glaub, mein Vater, der verträgt das auch nicht so richtig, der kriegt schon mal nix mehr, aber ich fänd auch blöd, jetzt ganz aufhören, fänd ich blöd, weil, wenn die was in der Forschung forschen mit so Mitteln, das machen die ja auch länger und ja auch mit mehreren. Ich hör das mit meinem Vater
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