Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
immer häufiger schlich sich bei Ferdinand und mir die Sehnsucht nach Ruhe ein. Wir wurden langsamer und reduzierten aus freien Stücken die Welt um uns herum, wir waren immer weniger unterwegs und mehr für uns.
Wir hatten mit sieben gesunden Nachfahren unser Feld gut bestellt. Mit ihren zweibeinigen Paten würden sie ein turbulentes Mäuse-Menschen-Leben führen. Nun konnte ich gut loslassen. Meine sieben würden die Großen schon auf Trab halten. Und irgendwann wieder neue Wesen hinterlassen.
Indes fühlte ich mich immer müder werden. Ich hatte schon deutlich überzogen. So alt, wie ich geworden war, fand man keine andere Maus.
Aber anders als eine herkömmliche Maus hatte ich in meinem Leben ja auch einen wichtigen Posten übernommen. Ich war die Freundin von sieben Kindern geworden. Da gab es ständig Entwicklungen, die abgewartet werden mussten, und immer wieder neue Aufgaben zu schultern. Also definitiv keine Zeit fürs Lebensende.
Aber nun begann mir das Ausatmen mehr zu gefallen als das Einatmen, falls Sie verstehen, was ich meine. Beim Ausatmen fließt die ganze Spannung so schön aus einem heraus.
Mir war klar, dass ich es nicht mehr miterleben würde, wie sich die Politik zum Thema Legasthenie zukünftig verhielt, ich würde nicht verfolgen können, ob der Frieden in Maltes Familie andauerte und ob Frau Dörrlein dabeibliebe, ihre angstvolle Gegnerschaft zu den Kindern nachhaltig zu überwinden.
So ist das wohl, wenn es auf das Ende zugeht. Man ist nie fertig mit allem, aber man hört auf, etwas fertigstellen zu wollen.
Bei Pollys Eltern sah ich Hopfen und Malz verloren, aber, was viel wichtiger war, nicht bei Polly. Ich hatte sie in unserer gemeinsamen Zeit so intensiv erleben dürfen, dass ich gewiss war: Sie würde ihren Weg gehen. Und sie hatte für ihr Leben gelernt: Auf niemanden bauen, der dir fortgesetzt zeigt, dass er es nicht einlösen kann. Sich immer die Guten suchen und selbst einer werden.
Wenn ich mich jetzt so umschaute zu dem Leben, das hinter mir lag, dann war es das Leben eines Sammlers. Ich hatte Beobachtungen, Bilder, Erstaunen, Freundschaften, Gedanken, Erfahrungen, Fragen, Unverständnis, Antworten, Einsichten gesammelt, und all das ließ den Schluss zu, dass das Leben, meines wie Ihres, doch ein recht unlogisches, finsteres, lustiges, ungerechtes, beglückendes, dramatisches, unerklärliches Gebilde ist, in dem niemand weiß, warum er ausgerechnet dort ins Leben geschickt wurde, wo es für ihn persönlich losging. Wo man am Ende auskommt, das will allerdings gut bedacht sein. Dafür ist dann ja auch ein Leben lang Zeit. Mal länger, mal kürzer.
Und Ferdinand?
Mein Liebster ist gestern in Pollys Puppenbett in meinen Vorderbeinen eingeschlafen. Mit mir zusammen hat auch er aus seinem Leben die längste Zeit herausgeholt und dann, auf dem Höhepunkt seiner Müdigkeit, ist er einfach eingeschlafen.
Seien Sie nicht traurig, Leser und Leserin! So ist das mit dem Leben. Man darf gehen, wenn es zu Ende ist. Man darf müde werden. Man darf hoffentlich auf Gelungenes, Geschenktes, Erkämpftes blicken und sich mit dem versöhnen, was einem bis zum Schluss ein Rätsel blieb.
Mitten in diesem Universum entsteht man plötzlich eines Tages, und in dieses Universum verschwindet man wieder. Irgendwohin. Dann bilden wir einen Teil der Atmosphäre und gestalten die Weltenergie als winziges Teilchen mit. Wo Sie auch sind, immer bekommen Sie ein winziges kleines Teilchen von meiner Energie zu spüren. Und wenn Sie mal das irdische Feld räumen, geht das mit der Ihren genauso.
So machen das alle. Keiner geht verloren.
Und ich streck jetzt mal alle viere von mir. Mit einem Grinsen im Gesicht.
Es war schön bei Ihnen.
Danke
So schnell ist man dann wieder bei den Dankesworten.
Dabei treibt mir meine Bedankung im vorherigen Roman immer noch die Tränen in die Augen.
Ich stehe an dieser Stelle, da möchte ich ganz ehrlich zu Ihnen sein, gewissermaßen vor einem Dilemma: Es sind letztlich dieselben Menschen aus meinem inneren Kreis, die ich bei meinem Debüt mit Dank bedachte, die mich bei der Enstehung zu diesem vorliegenden kleinen Werk fortgesetzt ermuntert und mit freundlicher Unterstützung versorgt haben. Ich bin grundsätzlich leicht zu dankbarisieren und verleihe meiner abrupt aufflammenden Dankbarkeit meist im selben Moment unmissverständlich Ausdruck. Es besteht also kein Mangel, den ich an dieser Stelle mit ein paar mehrdimensionalen Worten beheben müsste.
Und Sie müssten
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