... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
Titel abgesehen hatten.
S usanne jagte ihm Angst ein.
Mit einem Lächeln, einem einzigen Wort, selbst mit einer unbeabsichtigten Berührung schaffte sie es mühelos, sämtliche Abwehrmechanismen zu überwinden und an sein Herz zu rühren. Sie hätte bloß mit dem Finger schnipsen müssen und er wäre vor ihr auf die Knie gesunken. Na schön, vielleicht nicht sofort. Zumindest hätte er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ihr die Sterne einzeln vom Firmament zu pflücken.
Er hatte sich nicht sonderlich viel Mühe gegeben, sein männliches Interesse an Suse zu verbergen, sodass sein bester Freund bald die Lunte gerochen hatte. Für den war Susannes Wirkung auf ihn ganz offensichtlich, denn Ossi und er hatten keine Geheimnisse voreinander. Vom ersten Augenblick an hatte sein Freund gewusst, worauf es hinauslaufen würde, wenn sich eine Frau von Suses Format länger als eine Stunde in der Nähe eines Matthias Clausing aufhielt.
Adrian Ossmann, mit dem er in Deutschland aufgewachsen war. Ossi, der begnadete Schiffskoch der Reederei. Der Vater von Susannes Kindern.
Adrian Ossmann war tot.
Mit einem tiefen Seufzer riss er sich von den Erinnerungen los. Er würde das Ende seines Freundes nie verstehen. Er konnte versuchen weiterzuleben. Versuchen, den Verlust zu akzeptieren. Und irgendwann den Schmerz ignorieren. Mehr nicht. Und aus eben diesem Grund war er hierhergekommen.
Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie ihn die Frau an seiner Seite eingehend musterte. Besorgt und nicht abweisend oder gar feindselig wie in den Tagen und Wochen zuvor. Seine Miene verschloss sich, seine glänzenden Augen gewährten keinen Einblick in sein Inneres. Mit großer Mühe zog er sich die Maske ruhiger Gelassenheit vors Gesicht, obwohl es ihn drängte, Susanne in den Arm zu nehmen und zu trösten. Sie und sich selber. Festhalten. Fallenlassen. Wenigstens für einen Moment.
Als sie jetzt seinen Blick auf sich gerichtet sah, wendete sie hastig den Kopf ab. Sie ahnte, was in ihm vorging, wenn dieser unheimliche Ausdruck der Leere in seine märchenhaft blauen Augen trat, bis sie sich fast schwarz färbten. Eine düstere Verschlossenheit ging von ihm aus. Eine Traurigkeit, die sie an Adrian erinnerte.
Schluss damit! Sie hatte sich geschworen , keinen Gedanken an Clausing und sein Seelenheil zu verschwenden. Er war ihr vollkommen gleichgültig.
Und es gab keinen Trost für ihren Verlust.
Clausing räusperte sich und fuhr verlegen mit den Fingern durch sein kurzes Haar. „Wundere dich nachher nicht über das ganze Brimborium, wenn wir abgeholt werden“, gab er sich unbekümmert. Seine raue Stimme freilich verriet, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war. „Du musst wissen, Pádraig liebt große Auftritte. Außerdem hängt er an alten Gewohnheiten. Schon sein Vater und Großvater und ich glaube, sogar sein Urgroßvater waren in unserem Haus als …“
„Sklaven?“
In den Augen des Mannes stand der Schock geschrieben, als Suse ihn mit einem abfälligen Knurren unterbrach. Seufzend schüttelte er den Kopf und zwang sich, die Ruhe zu bewahren. „Angestellte. Sie sind meine Angestellten, Susanne. Freunde, Vertraute. Und sie haben mir eine Familie gegeben.“
„ Oh, wie schön für dich.“ Sie verdrehte die Augen himmelwärts. „Manche wissen scheinbar nicht, wohin mit ihrer Knete. Obwohl es natürlich ziemlich bequem sein muss, sich kaufen zu können, was immer man sich gerade in den Kopf gesetzt hat. Selbst wenn es eine Familie ist.“
Matthias stöhnte innerlich auf. Wie lange würde sie ihm vorhalten, mit einem silbernen Löffel im Mund zur Welt gekommen zu sein? Er hatte sich nie etwas auf seine Titel eingebildet oder mit seinem Reich tum geprotzt. Seine berufliche Stellung und sein Ansehen in der Reederei dagegen hatte er sich im Schweiße seines Angesichts und mit eigenen Händen erarbeitet. Stellte er in Susannes Augen wirklich nicht mehr dar als das, was er auf seinem Bankkonto hatte? Bei dieser Frage schien ihr ansonsten hellwacher Verstand mit schöner Regelmäßigkeit auszusetzen. Sie waren keinen Schritt weitergekommen, seit er ihr vom Beginn seiner Freundschaft zu Ossi erzählt hatte.
„Deine An-ge-stell-ten erwarten hoffentlich nicht von mir, dass ich ihnen zur Begrüßung um den Hals falle?“
Sie blickte mit hochgezogenen Augenbrauen auf, um sich von der Wirkung ihrer Worte zu überzeugen. Sie wollte den Kapitän zwar ärgern, als sie jedoch den schmerzlichen Zug um seinen Mund bemerkte, hätte sie
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