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"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

Titel: "Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frommert , Jens Clasen
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keiner, die Logik interessierte zumindest niemanden. Die Paukenschläge, die folgten, vernahmen indes alle. Sie wurden auch professionell in Szene gesetzt. ARD und ZDF saßen öffentlich-rechtlich über uns zu Gericht. Bevor sie ihre Kameras abschalteten, sendeten sie noch eine Reihe schmutziger Bilder. Und diese Tour 2007 lieferte reichlich Dreck, um sich darin zu suhlen und sich selbst Absolution zu erteilen für die Verteufelung und die Verbannung einer Veranstaltung, die lange Programm war und ganz unverhohlen auch für eigene Zwecke benutzt wurde. Sendeschluss!
    Alexander Vinokourov, einst ebenfalls in Diensten der Telekom-Radler schuftender Kasache, wurde wegen Blutdopings nach Hause geschickt, zwei weitere Fahrer waren positiv getestet und des Fahrerfeldes verwiesen, und dann folgte das Tüpfelchen auf dem i des Wortes »Doping«: Der seit Tagen Gesamtführende, der Däne Michael Rasmussen, wurde ausgeschlossen, weil er schlicht und ergreifend gelogen hatte und nicht dort war, wo er vorgab zu sein, als Dopingfahnder ihn unter die Lupe nehmen wollten. Vor diesem Hintergrund bekam der Fall Sinkewitz eine Dimension, die nachgerade überdimensional war. In diesem Jahr war weit und breit keine schützende Fußball-Weltmeisterschaft, keine Olympischen Spiele, nicht einmal ein kleines Europameisterschaftchen, das irgendwie ablenkte. Und alles begann von vorne. Wieder putzte ich die Klinken der TV -Studios. Nur diesmal gab es nichts zu gewinnen. Sinkewitz war kein Star, keiner, dem die Herzen der Nation gehörten. Er wurde in die Ecke gestellt, zum kleinen dummen Buben abgestempelt, zum Ewiggestrigen, zum Monument für die, die es nie lernen würden, und er wurde zum lebenden Beweise für all die, die es ja schon immer gewusst haben, dass sich diese Branche nie ändern würde. Und das Schlimme war: Man konnte ihnen nur schwer widersprechen. Der Kotau war Programm, im Ersten , im Zweiten , auf n-tv oder n24 . Kniefall allenthalben. Egal wo. Rückzug auf allen Sendern.
    Weil Sinkewitz nun einmal nicht greifbar war, wurde ein Ersatzprügelknabe gesucht. Und gefunden. Wer eignete sich da besser als der Schönredner von gestern, der ja ganz offenbar der Nation das Magentafarbene vom Himmel log? Das Gesicht in Erinnerung, die Argumentation des vergangenen Jahres im Ohr, die Realität vor Augen – das Urteil war gesprochen: Kreuzigt ihn, Frommert, den Pharisäer. Inquisition vor laufender Kamera. Selbst ich hatte irgendwann mal das Gefühl, Hersteller, Dealer, Bote und Konsument all dieser Mittel gewesen zu sein – los, gestehen Sie!
    Ich badete aber auch diesen Rummel genussvoll aus. Wobei es, wie gesagt, ein schmerzhafter Rummel war und ich wieder einmal eine zweifelhafte Prominenz erlangte. Ich war der Fehlereinräumer und Bedauernserklärer. Dabei musste ich mich nicht verstellen, denn zumindest zu Anfang erfüllte mich tatsächlich tiefe Betroffenheit. Ich hatte vor allem Mitleid mit Fahrern wie Linus Gerdemann, die – angeblich – sauber geblieben waren. Linus fuhr bei dieser Skandal-Tour 2007 für einen Tag ins Gelbe Trikot – und wovon redeten wieder alle?
    »Wie ist die Stimmung im Team?«, »Welche Konsequenzen werden folgen, wenn auch die B-Probe positiv sein sollte?«, » ARD und ZDF haben angekündigt, bis auf Weiteres nicht mehr von der Tour de France zu berichten – wird T-Mobile sein Team jetzt von der Tour zurückziehen und das Radsportengagement beenden?«, »Müsste das Fernsehen dann etwa auch nach Positivfällen bei den Spielen 2008 in Peking so konsequent sein und aussteigen?«.
    Die Lawine wurde also öffentlichkeitswirksam während der Tour de France losgetreten und deshalb erneut mit dieser größten und bedeutendsten aller Rundfahrten in Verbindung gebracht. Und so sehr wir uns auch anstrengten, Verantwortung für alles und jeden in vorauseilender Demut zu übernehmen, Aufklärungen vorantrieben von A wie Aldag bis Z wie Zabel, von Fällen, die teilweise viele Jahre zurücklagen, neue interne Anti-Doping-Programme auflegten, unsere Treue schworen auf Pressekonferenzen, in Gremien, Ausschüssen und Anzeigenkampagnen – es gab kein Entrinnen mehr. Auf allen Ebenen des Konzerns wurde diskutiert, wurden Szenarien entworfen, Lösungswege aufgezeigt und wieder in die Tonne gedrückt. Die eine Frage, die alle beschäftigte und die wir dringend beantworten mussten, war: Steigt die Telekom als Sponsor beim Radsport aus? Ich weiß nicht, wie oft ich in diesen Tagen den Satz gesagt habe: »Wir werden

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