"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)
Kommunikation ist für viele nichts, in das es sich zu investieren lohnt. Oder eben erst, wenn das Kind schon metertief im Brunnen liegt. Ich stelle nichts her, nichts Greifbares. Selten ist Kommunikation in positivem Sinn für etwas verantwortlich. Sie ist aber immer irgendwie schuld. Sie ist Desaster und Panne und irgendwie immer Krise. Gute Kommunikation wird hin-, schlechte übelgenommen. Dabei ist die richtige Strategie gerade in Sachen Kommunikation die Grundlage für Imageaufbau und die passende PR . Das Geschäftsmodell »Bring uns einen Sponsor und du bekommst Prozente«, ist weit einfacher zu denken für potenzielle Partner und lukrativer für eine Agentur. Nur ist es nicht meins. Ich habe in den vergangenen Jahren gelernt, was Kommunikation alles vermag, und auch, was sie nicht zu leisten im Stande ist. Diese Erfahrung wollte ich weitergeben. Selbstständig also. Mit allen Existenzängsten, die kommen und … bleiben.
Wie sich herausstellen sollte, war das für mich vom Gefühl her fortan eine Freiheit im Sinn von: ohne jeden Halt.
Der Abschied fiel mir schwer. Ich sagte mir zwar, ich hatte getan, was ich konnte, und nun könne ich nichts mehr tun. Es käme etwas Neues, Besseres. Die Ergebnisse meiner Arbeit blieben, natürlich, Aber ich war draußen. DieTelekom aber ist entgegen landläufiger Meinung kein Laden voller eiskalter Manager, denen die Kunden wurscht und der Aktienkurs heilig ist. Es ist ein Monstrum zwar, aber auch ein Mikrokosmos. Einer, der sich durchaus dankbar zeigt für geleistete Arbeit und einem schon mal Rosenblätter auf den Abschiedsweg streut. Ich bekam einen Beratervertrag. Doch viel zu beraten war nicht mehr.
Bis auf kleine Ausnahmen blieb ich fortan außen vor.
Und das tat schon weh.
So bitter es war, immer für die Phase des Dopings und der Skandale zu stehen: Dennoch hatte ich das mediale High Life in vollen Zügen goutiert. Ich hatte eine Aufgabe gehabt. Ich war in ein Büro gegangen, auch wenn mein immer noch auf Hochtouren ausgerichteter Motor schon mal im Leerlauf lief. Meine Art, Entscheidungen zu treffen, und die Geschwindigkeit, mit der ich reagierte und die ich von anderen einforderte, waren einigen doch schon arg penetrant. »Unter Druck« würde ich setzen. Die Messlatte »zu hoch legen«.
Nun konnte ich mein eigenes Tempo gehen. Und mit Höchstgeschwindigkeit krachte ich in ein neues Leben. Das alte war vorbei. Die Glotze lief weiter, aber der Frommert war nicht mehr drin.
Im Nachhinein fällt meine Bilanz trotzdem nüchterner aus.
Meine Arbeit war nicht immer gewollt und bisweilen vielleicht tatsächlich zu erdrückend: immer ein bisschen zu viel, zu fordernd, zu schnell. Ich vergaß immer, dass ich in einem Großkonzern war. Einem, der nicht mal eben auf die Frommert’schen Einfälle reagieren konnte und es auch gar nicht wollte.
Auch dort gibt es Schubladen. Keine davon passte mir mehr. Plötzlich war nichts mehr von Tragweite zu entscheiden – außer, wie viel Milch ich in den Kaffee nehme und welches Hemd zum Anzug passt. Nur noch um sich selbst drehende Runden. Präsentationen. Reden bis zum Abmoderieren.
Ich sprang also ab, und dann kam der Kaltwasserschock:
Meine weit reichenden Entscheidungskompetenzen – einfach weg.
Klar, die eigenen Geschäfte – aber da war ja noch nichts. Das würde erst mal werden. Ich war ja erst im Aufbruch zu meiner Selbstständigkeit. Letztlich war ich auch nur eine von den so genannten Ich-AGs, die gerade das Land bevölkerten. Weil das alles so vage war, weil ich auch durchaus noch etwas Erholung brauchen konnte, beschloss ich also, erst einmal die Pause zu nehmen, die ich stets plante nach dem Erreichen von Etappenzielen: nach dem Abi, nach dem Studium, nach der Frankfurter Rundschau . Break! Das Wort übersetzte ich aber immer mit Aufbruch, nie mit Zur-Ruhe-Kommen. Einmal Luft holen. Mit Anlauf in eine neue Ära starten, Kraft tanken für den Neuanfang.
Die Reise nach Südafrika im deutschen Spätsommer 2008 war so etwas wie der Startschuss zum Absturz. Die Fahrt in den Winter meines Lebens.
Eigentlich war das Erholung pur: großartiges Land, fantastisches Wetter, hervorragendes Essen, phänomenaler Wein, liebevolle Menschen … Aber mit jedem Tag süßen Nichtstuns wuchsen bei mir die Ängste. Ich wurde getrieben und gepeinigt von verschiedensten Vorstellungen und Katastrophenszenarien:
Alle vergessen mich. Keiner will mehr etwas von mir. Es gibt keine Aufträge. Ich bin nutzlos, lebe ja nur in den Tag.
Mit
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