Dann klappt's auch mit dem Doktor
was dein Problem ist?«, fragt Vera.
»Nils?«
»Den benutzt du gerade nur als Ventil. Ich glaube, du musst einfach mal lernen, Verantwortung für dich zu übernehmen.«
»Ich übernehme jeden Tag Verantwortung, wenn ich das nicht könnte, hätte ich einen anderen Job.«
»Das meine ich nicht. Ich meine für dich.«
»Ich verstehe kein Wort.«
»Gut, nach der unseligen Geschichte mit Felix ist es kein Wunder, dass du Angst vor einer neuen Beziehung hast. Aber es wird Zeit, die zu überwinden. Dann kannst du dich auch in Typen verlieben, die gut für dich sind. Trau dich einfach, und steh wieder zu dir selbst.«
»Das klingt einfacher, als es ist.«
»Glaub mir, das weià ich nur zu gut. Meinst du, mir ist es leichtgefallen, mir meine wahren Gefühle für Till einzugestehen?«
»Aber mit euch läuft es doch auch super.«
»Das wusste ich ja vorher nicht.«
»Das mit Till und dir ist so etwas wie ein Weltwunder. Das gibt es nicht ein zweites Mal und schon gar nicht für mich.«
»Ach so ein Quatsch. Jetzt hör auf so pessimistisch zu sein. Das ist echt ein Stimmungskiller.«
»Du hast ja recht. Tut mir leid, dass ich mich gerade nicht so doll mit dir freuen kann.«
»Ich weià ja, dass du das normalerweise tun würdest. Also Schwamm drüber. Wie läuft es denn derzeit in der Ambulanz, so ohne Nils?«
»Ich komme ganz gut zurecht. Schleim-Katharina ist ohne ihren Götzen sogar einigermaÃen erträglich. Im Moment verbringt sie sowieso die meiste Zeit in der Bibliothek, um für ihre Arbeit zu recherchieren.«
»Das klingt doch gut.«
»Hm, schon. Allerdings muss ich demnächst zu einem Ãberstundengespräch zu Professor Astrup.«
»Autsch. Dann drücke ich dir mal die Daumen.«
»Er wird mich ordentlich in die Mangel nehmen.«
»Wie schlimm ist es denn?«
»Weit über hundert Ãberstunden. Eher fast zweihundert.«
»Das ist mal ein Wort. Aber nimm ihn doch einfach als Ãbungsobjekt. Steh zu dir selbst, und lass dich nicht runÂterziehen. Und lass dir die Ãberstunden auszahlen.«
»Du bist ein alter Schlauberger.«
»Ich weiÃ.« Vera klaut mir ein Stück Sushi und grinst.
Mit dem Fahrrad brauche ich volle zwanzig Minuten nach Hause. Gefühlt sind das etwa vierzig, weil Vera und ich zum Sushi noch diverse Gläser Wein getrunken haben. Es war ein schöner Abend, und ich fühle mich jetzt wirklich besser. Erschöpft steige ich vom Fahrrad und schiebe es die letzten Meter Richtung Hauseingang. Die Tür geht auf, und Frau Beier schieÃt heraus. Na, so ein Zufall.
»Sie sollten sich schämen! Wie konnten Sie nur!«
»Wie konnte ich was?«
»Dem unverschämten Bengel mit seinem komischen Fahrrad die Nische überlassen.« Ich trage mein Fahrrad in den Hausflur und erkenne Frau Beiers Problem: Das Mountainbike unseres Nachbarn steht schon wieder in der Nische. »Wieso? Passt doch.«
»Aber wir hatten eine Sondergenehmigung«, zischelt Frau Beier bedrohlich.
»Und?«
»Dieser unverschämte Kerl jetzt auch!«
Sie funkelt mich mit zusammengekniffenen Augen an.
»Na, dann ist doch alles geregelt.«
»Geregelt? Nichts ist geregelt, nichts. Sie werden schon sehen.«
Frau Beiers Stimme überschlägt sich vor Wut, und kleine Spucketropfen fliegen mir entgegen. Ich schlieÃe mein Rad ab.
»Wenn die Hausverwaltung das so beschlossen hat, wird es schon seinen Grund haben. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.«
Vorsichtig zwänge ich mich an der geifernden Beier vorbei. Ihre Augen sind blutunterlaufen. Das ist echt unheimlich.
»Nichts ist geregelt, nichts«, höre ich sie zischeln, während ich die Treppe zu meiner Wohnung hinaufgehe.
Ich bilde mir ein, das Zischeln immer noch zu hören, als ich mich am nächsten Morgen auf den Weg zur Arbeit machen will. Vor meiner Wohnungstür stapeln sich Tüten mit ⦠Müll? Was soll das denn? Hey, den Müll kenne ich! Das ist meiner. Aber wie hat er den Weg zurück zum Mutterschiff gefunden? Kleine beschriftete Zettel, die nur so vor Rechtschreibfehlern strotzen, erklären alles. Es war, natürlich, die Beier-Ziege. Mann, hat die eine Ausdauer. Es ist echt ungünstig, dass ältere Menschen nur noch so wenig Schlaf brauchen. Auf einem Stapel Papier steht: Die Fenster der Briefumschläge sind
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