Dann klappt's auch mit dem Doktor
mich wie ein Schlag. Was für eine Skrupellosigkeit, mich nach so einer Nacht â wenn ich bloà wüsste, nach was für einer â einfach sitzenzulassen. Dieses blöde Beruhigungsmittel. Vielleicht hat er mir das ja nur gegeben, um mich gefügig zu machen? Ist so etwas nicht strafbar? Verführung Schutzbefohlener oder so?
Während ich mir den Kopf zermartere, kommt Katharina rein, setzt sich an Nilsâ Schreibtisch und fährt seinen Computer hoch.
»Ist wirklich supernett von Nils, dass ich seinen Computer benutzen darf, während er weg ist. Er hat mir sogar einen eigenen Benutzeraccount eingerichtet«, berichtet sie stolz, »ich gönne ihm die freien Tage ja, aber ich kann es gar nicht erwarten, wieder mit ihm zu arbeiten. Ich â¦Â«
»Katharina, er ist nicht da. Du kannst dir die Lobeshymnen also sparen«, unterbreche ich sie barsch.
Sogar die blöde Studentin scheint zu wissen, wo Nils sich rumtreibt. Wahrscheinlich auch mit wem. Fragen werde ich sie natürlich auf keinen Fall. Die BlöÃe gebe ich mir nicht.
Kapitel 20
Nils bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Seit seinem Verschwinden sind nur vier Tage vergangen, aber die kommen mir vor wie eine Ewigkeit. Ich weià nicht, was ich davon halten soll. Ich bin so verwirrt, dass ich nicht mal Vera erzählen kann, wie es mir geht. Und mit Vera teile ich sonst alles. Wir sitzen zusammen in unserer Lieblings-Sushibar und ich stochere lustlos in meinem Algensalat herum, während Vera mir von Till vorschwärmt. Eines teilen wir seit einigen Tagen nämlich nicht mehr: das elende Singledasein. Vera ist total glücklich mit Till. Die beiden sind soooo verliebt ineinander, und eigentlich sollte ich mich soooo sehr für sie freuen! Doch das fällt mir im Moment ziemlich schwer, obwohl ich nicht egoistisch wirken möchte. Das merkt Vera trotz meines bemüht glücklichen Lächelns auch sofort. Ich konnte ihr noch nie was vormachen.
»⦠und nächsten Monat werden Till und ich zusammen einen Porno drehen!«
»Hmmm, ja, wie schön. Ihr macht was ?!«
»Ich hatte schon die Befürchtung, du hörst mir überhaupt nicht mehr zu! Was ist denn los? Hat Nils sich immer noch nicht gemeldet?«
»Ach, der ist mir doch völlig egal.«
»Du hast fast nichts von deinem Essen angerührt. Also mach mir nichts vor.«
»Nein, Nils hat sich noch nicht gemeldet.«
»Der taucht bestimmt bald wieder auf.«
»Der soll bleiben, wo der Pfeffer wächst und sich mit seiner blöden Freundin in England amüsieren. Mir macht was anderes Sorgen: Irgendetwas stimmt nicht mit mir.«
»Inwiefern?«
»Ich mache mir ernsthaft Sorgen, ob ich nicht einen Hirntumor habe oder an verfrühter Demenz leiden könnte.«
»Okay«, Vera mustert mich prüfend, »hast du etwa vor lauter Männerfrust ein Fachbuch gelesen?«
»Nein, nichts Besonderes.«
»Ich glaub dir kein Wort. Du bist mal wieder in dieser Hilfe-ich-bin-todkrank-Stimmung.«
Während unseres Studiums war ich der klassische Hypochonder. Ich hatte alle Erkrankungen, die gerade in den Vorlesungen dran waren oder geprüft wurden. Alle. Bei dem, was ich alles überlebt habe, habe ich schon längst einen Weltrekord aufgestellt.
»Mit mir stimmt wirklich was nicht.«
»Okay, du erzählst mir jetzt in Ruhe, was los ist.« Tja, wo soll ich da bloà anfangen? Ich entscheide mich für eine Zusammenfassung. Die wird auch Vera reichen, um bei mir etwas Ernstes zu diagnostizieren.
»Also, wenn du es unbedingt wissen willst: Ich habe nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ich bin ein durchgeknallter Schrank mit zersprungenen Tassen auf einem Boot in einem ganz, ganz schweren Sturm, einem Orkan â¦Â«
Das trifft es ziemlich genau. Vera scheint darüber nachzudenken, mich in eine psychiatrische Abteilung einweisen zu lassen.
»Könntest du dich etwas deutlicher ausdrücken?«
»Im Grunde stand ich die letzten Tage völlig neben mir.
Ich hatte ein flaues Gefühl im Magen, konnte nichts essen, hatte ständig Herzrasen, konnte deshalb nicht schlafen und war völlig wirr im Kopf. Einmal habe ich zum Beispiel morgens meine Unterwäsche anstatt in den Wäschekorb ins Klo geworfen und meine Lieblings-La-Perla-Garnitur in die Kloake gespült.«
»O nein, die schöne champagnerfarbene, die wir zusammen im letzten Urlaub gekauft haben?«
Ich
Weitere Kostenlose Bücher