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Dann muss es Liebe sein

Dann muss es Liebe sein

Titel: Dann muss es Liebe sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Woodman
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tumorgroßen Klumpen in der Kehle, schließlich ist es meine Schuld, wenn er es nicht schafft. Alex, Frances, sie alle hatten recht, als sie sagten, ich würde zu viel arbeiten. Deshalb ist er zu früh gekommen. Weil ich nur meine tolle Karriere im Kopf hatte, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, den Ruf des Otter House zu retten, weil ich meine ganze Kraft darauf verschwendet habe, Emmas Ausfälle zu kompensieren … Als ich den Blick senke, rechne ich fast damit, Blut an meinen Händen zu sehen.
    »So, da ist ja Baby Harwood«, sagt die Schwester, nachdem sie uns zu einem Raum am Ende der Station geführt hat. Sie deutet auf ein winziges Baby, das in einem extragroßen Brutkasten liegt. Ich stehe aus dem Rollstuhl auf, um den Kleinen besser sehen zu können. Er hat ein blaues Mützchen auf dem Kopf und trägt eine blaue Windel, und er ist durch Kabel mit verschiedenen Monitoren verbunden. Es ist grauenhaft. Entsetzlich. Ich drehe mich zu Alex um und vergrabe das Gesicht an seinem Hemd.
    »Er brauchte ein bisschen Unterstützung beim Atmen, als er hier ankam, und wir mussten ihn ganz langsam aufwärmen, da ihm so kalt war. Er hat eine nasogastrale Sonde«, höre ich die Schwester sagen. »Das ist der Schlauch in seiner Nase. Er führt in seinen Magen, sodass wir ihn ernähren können. Er hat noch keinen Saugreflex entwickelt.« Sie hält kurz inne. »Vielleicht möchte Mum es ja mal mit Abpumpen versuchen …«
    Mum? Mein Herz schlägt Purzelbäume, und meine Emotionen wechseln blitzartig von Hochstimmung zu Angst, als mir meine Situation bewusst wird. Mum. Das bin ich.
    Alex tritt einen Schritt zurück.
    »Was meinst du, Maz?«, sagt er.
    »Okay, ich versuche es«, antworte ich erleichtert. Ich würde alles tun, um den Moment hinauszuzögern, in dem ich meinem Baby von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehe.
    »Er muss bald wieder gefüttert werden«, erklärt die Schwester. »Ich zeige Ihnen das Stillzimmer.«
    Alex bleibt bei dem Baby, während die Schwester mich im Rollstuhl wegschiebt. Sie gibt mir eine Milchpumpe und zeigt mir, wie ich sie benutzen soll. Es erinnert mich an eine Melkstation im Kuhstall, an Reihen schwarz-weißer Kühe, an das gleichmäßige Pulsieren der Melkmaschine und an literweise Milch … Ich fühle mich elend. Ich betrachte die winzige Menge Milch, die gerade einmal den Boden des Gefäßes bedeckt. Ich wusste es – ich wusste, dass ich keine gute Mutter sein würde.
    Verlegen reiche ich der Schwester den Behälter.
    »Nicht schlecht für das erste Mal. Machen Sie sich keine Sorgen – es wird von Mal zu Mal einfacher. So, jetzt füttere ich das Baby und ziehe es an, damit Sie es auf den Arm nehmen können.« Sie scheint mein Widerstreben zu bemerken. »Babys sind robuster, als man glaubt – Sie werden ihn schon nicht kaputt machen.«
    »Aber ich könnte ihn fallen lassen«, versuche ich meine Angst mit einem Scherz zu überspielen.
    »In ein, zwei Tagen ist es für Sie das Normalste von der Welt«, entgegnet die Schwester. Ihre ruhige und gleichzeitig unnachgiebige Art erinnert mich an Izzy, wenn sie einen Kunden davon überzeugt, dass es durchaus möglich ist, einen Bernhardiner zu baden und das Shampoo ungefähr zehn Minuten einwirken zu lassen, ohne dabei vollkommen durchnässt zu werden.
    »Ich habe gar keine Kleider für ihn. Es kam alles so plötzlich …«
    »Keine Angst, wir haben reichlich Babykleidung hier auf der Station. Die meisten unserer Babys sind Frühchen.« Die Schwester löst die Kabel, nimmt ihn aus dem Brutkasten, legt ihn auf einen Wickeltisch in der Ecke, wechselt seine Windel und zieht ihm einen weißen Strampelanzug an. Dann hebt sie ihn hoch und kommt geradewegs auf mich zu. Mein Puls rast, meine Handflächen werden heiß und feucht, und ich kenne nur noch einen Gedanken: Wo zum Teufel ist an diesem Stuhl der Rückwärtsgang …?
    »N-nimm du ihn doch lieber, Alex«, bitte ich ihn. »Mir geht es gerade nicht so gut.«
    »Er will aber zu seiner Mama«, antwortet Alex und zieht die Augenbrauen hoch.
    »Ich hatte hier schon viele Mütter wie Sie. Haben Sie keine Angst – es dauert eine Weile, jemanden kennenzulernen«, sagt die Schwester. Sie beugt sich zu mir herab und hält ihn mir hin. »Es ist wichtig für das Baby zu wissen, dass es geliebt wird.«
    Davon überzeugt, dass ich den Kleinen unmöglich lieben kann, starre ich auf meine Füße hinunter, um den Moment der Wahrheit so lange wie möglich hinauszuzögern. Sie stecken in ziemlich schäbigen

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