Dann muss es Liebe sein
in gewisser Weise nachvollziehen, wieso du dich so entschieden hast …«
Ich versuche, eine Hand zu heben und sie auf seine Lippen zu legen, um ihn zum Schweigen zu bringen, damit ich auch etwas sagen kann, doch seine Finger umklammern nach wie vor schmerzhaft meine Handgelenke.
»Es tut mir leid«, sagt er. »Aber wenn du das durchziehst, ist es … aus.«
»Für mich klingt das stark nach Erpressung«, setze ich an, aber er bringt mich mit einem finsteren Blick zum Schweigen.
»Nenn es, wie du willst. Ich möchte damit nur sagen, dass ich danach nie wieder das Gleiche für dich empfinden könnte.« Langsam – zwei weitere Wellen schlagen in dieser Zeit gegen die Mauer und ziehen sich wieder zurück – lockert er den Griff um meine Gelenke und lässt die Hände sinken.
»Wahrscheinlich sollte ich dich für deine Ehrlichkeit bewundern.« Mit dem Geschmack von Blut und Salz auf den Lippen strecke ich eine Hand aus und packe die Klappe an seiner Manteltasche. »Trotzdem ist es ziemlich brutal.«
»Wirf mir nicht vor, ich wäre brutal, Maz. Du bist diejenige, die vorhat, unser … unser …« Alex’ Stimme erstirbt, dann erhebt sie sich erneut schroff und verurteilend über das Tosen der Wellen. »Vor allem, nachdem du, ohne auch nur mit mir darüber zu reden, schon beschlossen hast, unser Kind wegmachen zu lassen. Einfach so.« Seine Augen blitzen vor Zorn und Kummer. »Als wäre es ein Stück Müll. Wie kannst du nur so gefühllos sein?«
Ich schrecke vor ihm zurück. Er hasst mich. Das erkenne ich an seiner starren Haltung und der Art und Weise, wie er immer wieder die Wangenmuskeln anspannt.
»Ich glaube, dir ist nicht klar, wie schwer mir diese Entscheidung gefallen ist«, entgegne ich.
»Du hättest sie nicht allein zu treffen brauchen, Maz. Du hättest gleich zu mir kommen sollen, als du erfahren hast, dass du schwanger bist. Du hättest das nicht für dich behalten dürfen.«
»Du hättest doch versucht, es mir auszureden. Die Abtreibung, meine ich.«
»Natürlich hätte ich das, denn ich bin fest davon überzeugt, dass es falsch ist.« Alex hält kurz inne. »Als du mir erzählt hast, dass du schwanger bist, war ich schockiert und überrascht und aufgeregt zugleich. Du hast mir damit das schönste Geschenk gemacht, das ich je bekommen habe, und es mir im gleichen Atemzug wieder aus der Hand gerissen.«
»Es tut mir leid.« Das Meer verschwimmt vor meinen Augen, und meine Lippen zittern. »Es tut mir so leid, Alex.«
Er zuckt mit den Schultern, als sei es dafür jetzt zu spät.
»Wie auch immer, ich wüsste gern, woran ich bin – sag mir Bescheid, sobald du dich entschieden hast.« Er wendet sich brüsk ab und geht mit entschlossenen Schritten die Stufen hoch.
»Alex! Warte!«, rufe ich ihm nach. Atemlos hole ich ihn oben an der Seemauer wieder ein.
»Ich habe dir zugehört. Jetzt bist du an der Reihe.«
Er zögert, Misstrauen spiegelt sich in seinem Gesicht.
»Na gut, ich höre«, sagt er über das Geschrei der Möwen über unseren Köpfen hinweg.
»Ich lasse es nicht abtreiben, Alex. Ich werde das Baby behalten.«
»Das war aber ein schneller Sinneswandel«, erwidert er stirnrunzelnd.
»Nein, das war es nicht. Ich habe meine Meinung nicht geändert, um dir eine Freude zu machen. Um dich zu halten. Ich war in Panik. Eine Abtreibung war das Erste, was mir in den Sinn kam. Ich war in den letzten Monaten so glücklich, Alex, ich wollte nicht, dass sich etwas ändert. Verstehst du das?«
»Ich glaube schon. Ja«, antwortet er schließlich, und eigentlich sollte ich überglücklich sein, aber mein Innerstes schmerzt vor Kummer und Reue, denn trotz seiner Antwort hat sich alles verändert, und ich weiß nicht, ob wir jemals wieder zurückkönnen.
Wir stehen einander hoch über dem Meer gegenüber, und der tosende Wind zerrt an unseren Haaren.
»Und was passiert jetzt?«, frage ich zögernd, während mein Herz hart gegen meine Rippen pocht. »Ich meine, sind wir noch …?«
»Zusammen?«, beendet Alex den Satz für mich. Er streckt die Hand aus. Dankbar ergreife ich sie langsam und verschränke meine Finger mit den seinen. Dann zieht er mich an sich, beugt sich zu mir herunter und küsst mich flüchtig auf die Wange. Mein Herz schwingt sich in die Lüfte auf wie eine Möwe. Vielleicht wird doch alles wieder gut. Vorerst zumindest. Bis das Baby da ist.
Alex und ich schlendern an der Seemauer entlang Richtung Talymouth und kehren in einem Restaurant am Strand ein, um Tee zu trinken und
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