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Danse Macabre

Danse Macabre

Titel: Danse Macabre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kampfes geworden ist,
dann ist der Horror-Film die moderne Version des öffentlichen Lynchens.
Es ist richtig, daß der mythische, »märchenhafte« HorrorFilm häufig beabsichtigt, Grautöne wegzunehmen (was ein
Grund dafür ist, daß When a Stranger Calls [dt: Das Grauen
kommt um zehn} nicht funktioniert; der Psycho, der vonTony
Beckley gut und aufrichtig gespielt wird, ist ein armerTeufel,
der vom Elend seiner eigenen Psychosen verfolgt wird; unsere ungewollte Sympathie für ihn verdirbt den Film so sicher, wie Wasser Scotch verdirbt); er drängt uns, unsere zivilisierte und erwachsene Neigung zur Analyse abzustreifen und
wieder zu Kindern zu werden, die die Dinge in reinen
Schwarz- und Weißtönen sehen. Es mag sein, daß HorrorFilme auf dieser Ebene für psychische Erleichterung sorgen,
weil diese Aufforderung, uns in Vereinfachung oder regelrechten Wahnsinn zu flüchten, so selten geboten wird. Wir bekommen gesagt, daß wir unseren Gefühlen freien Lauf lassen
dürfen … oder gar keinen Lauf.
Wenn wir alle wahnsinnig sind, dann wird aller Wahnsinn
eine Frage des Ausmaßes. Wenn Ihr Wahnsinn Sie dazu
bringt, Frauen aufzuschlitzen, so wie Jack the Ripper oder
der Cleveland-Torso-Mörder, dann sperren wir Sie im Irrenhaus ein (nur wurde keiner dieser beiden nächtlichen Amateurchirurgen jemals gefaßt, heh-heh-heh); wenn Ihr Wahnsinn Sie andererseits nur dazu bringt, daß Sie mit sich selbst
reden, wenn Sie unter Streß stehen, oder sich im Morgenzug
in der Nase bohren, dann wird man Sie ungestört Ihren Belangen nachgehen lassen …, doch steht zu bezweifeln, daß
Sie jemals zu den besten Partys eingeladen werden.
Der potentielle Lyncher ist in fast allen von uns (ich nehme
vergangene und derzeitige Heilige davon aus, aber die meisten Heiligen waren auf ihre Weise verrückt), und ab und zu
muß er freigelassen werden, damit er schreien und sich auf
dem Rasen herumwälzen kann … Bei Gott, ich glaube, ich
spreche schon wieder vom Werwolf. Unsere Emotionen und
Ängste bilden ihren eigenen Körper, und uns ist klar, daß dieser seine eigene Gymnastik braucht, um die angemessenen
Muskelfunktionen zu erhalten. Gewisse dieser emotionalen
»Muskeln« werden in der zivilisierten Gesellschaft akzeptiert
- sogar exaltiert; sie sind natürlich die Emotionen, die dazu
neigen, den Status quo der Zivilisation selbst zu bewahren.
Liebe, Freundschaft, Loyalität, Freundlichkeit - das alles
sind Emotionen, die wir gutheißen, Emotionen, die in den
bösen Reimen von Hallmark-Karten und den Versen (ich
wage nicht recht, sie Gedichte zu nennen) von Leonard
Nimoy verewigt worden sind.
Wenn wir diese Emotionen zeigen, überschüttet uns die
Gesellschaft mit positiver Unterstützung; das lernen wir,
noch ehe wir aus den Windeln sind. Wenn wir als Kinder unser
verfluchtes kleines Miststück von einer Schwester umarmen
und ihr einen Kuß geben, dann lächeln alle Onkel und Tanten, geraten in Verzückung und rufen: »Ist er nicht der süüüßeste kleine Bengel?« Danach folgen häufig Belohnungen wie
Kekse mit Schokoladenüberzug.
Aber wenn wir die Finger des verfluchten kleinen Miststücks von einer Schwester absichtlich in die Tür einklemmen, dann folgen Sanktionen - zornige Entrüstung von seiten der Onkeln undTanten; anstatt Schokokekse gibt es eine
Tracht Prügel.
Aber Anti-Zivilisationsemotionen gehen nicht weg, und
sie erfordern regelmäßige Übung. Wir haben so »kranke«
Witze wie diesen: »Was ist der Unterschied zwischen einer Wagenladung Bowlingkugeln und einer Wagenladung toter
Babys?« (Eine Wagenladung Bowlingkugeln kann man nicht
mit der Gabel abladen …, ein Witz, übrigens, den ich das
erste Mal von einem Zehnjährigen gehört habe.) Ein solcher
Witz mag uns in unserer Überraschung ein Lächeln oder
Grinsen entlocken, auch wenn wir innerlich zurückschrekken, eine Möglichkeit, welche die These erhärtet: Wenn wir
die Brüderschaft der Menschen teilen, dann teilen wir auch
den Wahnsinn der Menschen. Was nicht als Entschuldigung
für kranke Witze oder Wahnsinn gedacht sein soll, es soll lediglich erklären, warum die besten Horror-Filme, wie die besten Märchen, gleichzeitig reaktionär, anarchistisch und revolutionär sein können.
Mein Agent, Kirby McCauley, erzählt gerne eine Szene aus
Andy Warhols Film Bad und er erzählt sie mit dem vernarrten Tonfall des überzeugten Horror-Film-Fans. Eine Mutter
wirft ihr Baby aus dem Fenster eines Wolkenkratzers; Schnitt
auf die Menge unten, wir hören ein lautes

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