Danse Macabre
Hitchcocks
Film Psycho, wenngleich die ursprüngliche Idee, bei aller
Hochachtung vor dem Meister, schon in Robert Blochs
Roman vorgegeben war. Bloch hat diese spezielle Vision der
menschlichen Natur sogar schon in einigen Büchern vorher
entworfen, einschließlich von The Scarf (dt: Der seidene
Schal) (das mit den herrlich unheimlichen Zeilen anfängt:
»Fetisch? Wenn Sie meinen. Ich weiß nur, daß ich ihn immer
bei mir haben mußte …«) und The Deadbeat (dt: Die Saat des
Bösen). Diese Romane sind keine Horror-Romane, zumindest nicht im technischen Sinn; man findet kein furchteinflößendes Monster und kein übernatürliches Ereignis darin. Sie
sind mit dem Etikett »Spannungsromane« versehen. Aber
lesen wir sie mit dem Konflikt zwischen Apollinischem/Dionysischem im Hinterkopf, dann sehen wir, daß sie ganz eindeutig Horror-Romane sind; jeder handelt vom dionysischen
Psychopathen, der hinter der Fassade des apollinischen Normalen versteckt ist …, aber langsam und auf grauenhafte
Weise zum Vorschein kommt. Kurz gesagt, Bloch hat eine Anzahl Werwolf-Romane geschrieben, in denen er auf den Firlefanz des Elixiers oder den Eisenhut verzichtet. Als Bloch aufhörte, seine Lovecraftschen Stories des Übernatürlichen zu
schreiben (was er eigentlich nie ganz getan hat; man vergleiche das neuere Strange Eons), hörte er nicht auf, ein HorrorAutor zu sein, sondern er verlagerte lediglich die Perspektive
vom Äußeren (jenseits der Sterne, unter dem Meeresspiegel,
auf den Ebenen von Leng oder dem einsamen Friedhof hinter einer Kirche in Providence, Rhode Island) zum Inneren …, dorthin, wo der Werwolf ist. Es mag sein, daß diese
drei Romane, The Scarf, The Deadbeat und Psycho, eines
Tages als eine Art zusammenhängendesTriptychon aufgelegt
werden, so wie James M. Cains Romane ThePostmanAlways
Rings Twice (dt: u. a. Wenn der Postmann zweimal klingelt),
Double Indemnity und Mildred Pierce denn auf ihre Weise
hatten diese Romane, die Robert Bloch in den fünfziger Jahren schrieb, ebenso viel Einfluß auf die amerikanische Literatur wie Cains »Schurke-mit-Herz«-Romane der dreißiger
Jahre. Wenngleich die Methode des Angriffs in jedem Fall radikal verschieden ist, sind sowohl die Romane Cains wie auch
die Blochs hervorragende Kriminalromane; in beiden Romanen finden wir eine naturalistische Sicht des amerikanischen
Lebens; die Romane erforschen beide das Konzept des Protagonisten als Anti-Helden; die Romane beider bearbeiten den
zentralen Konflikt zwischen Apollinischem und Dionysischem und werden somit zu Werwolf-Romanen.
Psycho, der bekannteste der drei, handelt von Norman
Bates - und wie Anthony Perkins ihn in Hitchcocks Film
spielt, ist Norman so engärschig und hämorrhoidal, wie es
nur geht. Für die beobachtende Welt (jedenfalls den kleinen
Teil von ihr, der sich die Mühe macht, den Besitzer eines heruntergekommenen kleinen Motels zu beobachten) ist Norman so normal, wie es nur geht. Charles Whitman, der apollinische Eagle Scout, der auf dem Dach desTexasTower einen
dionysischen Amoklauf begann, fällt einem dabei sofort ein;
Norman scheint so ein netter Bursche zu sein. Janet Leigh
sieht in den letzten Augenblicken ihres Lebens eindeutig keinen Grund, sich vor ihm zu fürchten.
Aber Norman ist der Werwolf. Ihm wächst zwar kein Fell,
statt dessen vollzieht sich seine Verwandlung darin, daß er
Höschen, Hüfthalter und Kleid seiner toten Mutter anzieht und daß er die Gäste ersticht, statt sie zu beißen. So wie Dr.
Jekyll eine heimliche Wohnung in Soho und zu Hause seine eigene »Mr. Hyde-Tür« hat, hat auch Norman, wie wir herausfinden, seinen geheimen Ort, wo sich seine beiden Persönlichkeiten treffen: In seinem Fall ist es ein Loch in der Wand
hinter einem Bild, das er dazu verwendet, den Damen beim
Ausziehen zuzusehen.
Psycho ist deshalb so wirkungsvoll, weil es denWerwolfMythos nach Hause bringt. Es handelt sich nicht um ein äußeres Böses, um Vorherbestimmung; die Schuld liegt nicht in
unseren Sternen, sondern in uns selbst. Wir wissen, daß Norman nur äußerlich der Werwolf ist, wenn er Mamas Perücke
aufhat und mit Mamas Stimme spricht; aber wir haben den
unbehaglichen Verdacht, daß er innerlich ständig derWerwolf
ist.
Psycho zog eine Woge von Nachahmern nach sich, die meistens schon an ihren Titeln zu erkennen sind, die mehr als nur
ein paar Spielsachen auf dem Dachboden andeuteten: Straitjacket (dt: Die Zwangsjacke) (Joan Crawford kommt in diesem forschen, wenn auch handlungsmäßig etwas
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