Danse Macabre
am besten angewendet wurde. Charakterisierungen sind rasch und
präzise; Stevensons Figuren werden angerissen, verkommen
aber niemals zur Karikatur. Stimmung wird angedeutet, nicht
herbeigeredet. Die Erzählstruktur ist so abgehackt und rasant wie das hochfrisierte Auto eines Jugendlichen.
Wir enden mit dem, womit wir angefangen haben, mit dem
Staunen und dem Schrecken, das diese großen Monster noch
im Denken der Leser erzeugen. Die Facette eines jeden Buches, die am häufigsten übersehen wird, dürfte die sein, daß
es jedem einzelnen gelingt, die Wirklichkeit zu überwinden
und ins Reich der reinen Fantasy abzuheben. Aber wir werden bei diesem Sprung nicht zurückgelassen; wir werden mitgerissen, und uns wird gestattet, die Archetypen von Werwolf, Vampir und Ding nicht als Mythen zu sehen, sondern als
Gestalten der unmittelbaren Realität - und das bedeutet, wir
werden auf die Fahrt unseres Lebens mitgenommen. Und das
immerhin ist mehr als nur »gut«.
Mann …, das ist großartig.
IV
EINE ÄRGERLICHE AUTOBIOGRAPHISCHE UNTERBRECHUNG l
I
ch habe bereits an anderer Stelle gesagt, daß es unmöglich
sein würde, den Versuch zu wagen, sich erfolgreich mit
dem Phänomen von Entsetzen und Horror als Medien- und
Kulturereignis zu beschäftigen, ohne wenigstens einen kleinen Teil Autobiographie einzufügen. Mir scheint, die Zeit,
diese Drohung wahr zu machen, ist jetzt gekommen. Welch
ein Ärger. Aber Sie müssen es über sich ergehen lassen, und
sei es nur, weil ich mich selbst nicht von einem Genre trennen
kann, an dem ich auf Gedeih undVerderb teilhabe.
Leser, die auf regelmäßiger Basis einem Genre zugeneigt
sind - Western, Detektivgeschichten, Gerichtssaal-Krimis,
Science Fiction oder einfache Abenteuerliteratur -, scheinen
selten denselben Drang zu verspüren, die Interessen ihres
Lieblingsschriftstellers (und ihre eigenen) zu psychoanalysieren, so wie die Leser von Horror-Literatur. Insgeheim
herrscht das Gefühl vor, daß das Interesse an Horror abnormal ist. Ich habe einen recht langen Essay als Einführung zu
einem meiner Bücher geschrieben (Night Shift) und versucht,
einige der Gründe dafür zu analysieren, weshalb die Leute
Horror lesen und weshalb ich ihn schreibe. Ich habe kein Interesse daran, dieses Gericht hier noch einmal aufzuwärmen;
wenn Sie daran interessiert sind, das Thema weiterzuverfolgen, empfehle ich Ihnen diese Einführung; meinen Verwandten hat sie allen gefallen.
Die Frage hier ist mehr von esoterischer Natur: Warum
haben die Leute ein solches Interesse an meinen Interessen und an ihren eigenen? Ich glaube, das liegt mehr als an allem
anderen daran, daß wir tief in unserem Denken ein Postulat
vergraben haben: daß das Interesse an Horror ungesund und
abseitig ist. Wenn mich die Leute fragen: »Warum schreibst du
solche Sachen?«, dann fordern sie mich eigentlich auf, mich
auf die Couch zu legen und über die drei Wochen zu sprechen,
die ich im Keller eingesperrt war, oder meine Windelentwöhnung, oder vielleicht eine abnormale Rivalität unter Geschwistern. Niemand möchte wissen, ob Arthur Hailey oder
Harold Robbins ungewöhnlich lange gebraucht hat, bis er
aufs Töpfchen ging, denn über Banken und Flughäfen und
darüber zu schreiben, »Wie ich meine erste Million gemacht
habe«, das sind Themen, die vollkommen normal erscheinen. Es hat etwas durch und durch Amerikanisches, wissen zu
wollen, wie Dinge funktionieren (was, wie ich finde, eine
gute Erklärung für den phänomenalen Erfolg des Penthouse
Forum ist; worum es in all diesen Briefen wirklich geht, ist die
Raketentechnik des Geschlechtsverkehrs, die mögliche Trajektorie von oralem Sex und das »Wie-macht-man’s« verschiedener exotischer Stellungen - alles so amerikanisch wie Apfelkuchen; das Forum ist nichts weiter als eine sexuelle Gebrauchsanweisung für den enthusiastischen »Do-it-yourself«-Menschen), aber es ist beängstigend anders, eine Neigung zu Monstern, Spukhäusern und dem »Ding, das um Mitternacht aus der Gruft kroch« zu haben. Interviewer verwandeln sich sofort in hinreichende Abziehbilder des Comic Strip-Psychiaters Victor de Groot und vergessen die Tatsache,
daß es ein verdammt bizarrer Broterwerb ist, sich für Geld
etwas auszudenken.
Im März 1979 wurde ich eingeladen, bei einer Veranstaltung als einer von drei Rednern einer Diskussion über Horror
aufzutreten, die als die »Ides of Mohonk« bekannt ist (eine
jährlich stattfindende Versammlung von Krimi-Autoren und
Fans, die von Murder Ink
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