Dante Valentine 02 - Hoellenritt
Kaffee.
„Klar. Wie ich gehört habe, steht Poly auf kleine, hübsche Jungs.“ Ich ertappte mich, wie ich lächelte, den Kopf leicht zur Seite neigte und ihn ansah. „Vielleicht erzählt sie dir ja mehr als mir.“
„Du nimmst mich nur mit, weil ich so gut aussehe.“ Mit gespielter Entrüstung zog er einen Flunsch.
„Und? Was dagegen?“ Mein Lächeln fühlte sich echt an, so echt wie schon lange nicht mehr.
„Ach was.“ Er grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Gefällt mir irgendwie.“
Die staubige Truhe stand mitten im Wohnzimmer. Ich holte tief Luft und starrte das Ding von der Tür aus an wie ein Mungo eine besonders giftige Kobra. Jace, der hinter mir stand, fragte nicht nach dem Inhalt.
Ich hatte bis zur Dämmerung gewartet. Perlweißes Licht ergoss sich durch die Fenster. In der Ferne war das stärker werdende Summen des Gleiterverkehrs zu hören. Der Puls von Saint City beschleunigte sich leicht, die Stadt schüttelte die Schläfrigkeit ab und bereitete sich auf einen neuen Tag vor. Ich wartete noch ein wenig und betrachtete die graue Metallkiste, als könnte sie sich jeden Moment erheben und mich anklagen. Jace war mucksmäuschenstill. Offensichtlich war er neugierig, wollte mich fragen, traute sich jedoch nicht.
Warum war das so schwer? Ich war Rigger Hall entwachsen. Oder etwa nicht?
Allmählich glaubte ich, dass die Ereignisse längst nicht so weit zurücklagen, wie mir lieb gewesen wäre.
Ich warf einen Blick auf den Gobelin, der an der Wand nach Westen hing. Isis hatte die Arme schützend verschränkt, und Horus’ grimmiges Auge schaute gelassen und tödlich. Die Götter mischten sich nicht direkt ein… hatten mir aber auch nicht den Rücken zugewandt. Was ich auch tat, sie würden es bezeugen.
Auch nicht eben tröstlich. Schließlich atmete ich tief durch. Sowohl mein Feldstein- als auch mein Hauptaltar brummten vor Psinergie, und der Schutz ums Haus war dicht und sorgfältig gewebt. Hier konnte mir nichts geschehen. Dies war mein Heim, meine Zufluchtsstätte.
Was da drin ist, kann mir nichts anhaben. Ich schluckte trocken. Das Metallgehäuse der Truhe schien mich zu verspotten. Ja. Klar.
Meine linke Schulter brannte beständig, als würde die Narbe pulsieren und sich verspannen. Vorsichtig setzte ich einen Fuß ins Zimmer und ging auf die Truhe zu, langsam, ein Schritt nach dem anderen, als bewegte ich mich auf schwankendem Boden.
Neben dem Ding kniete ich mich auf den dicken, gemusterten Vorleger, den ich für meine Meditationen benutzte. Ich musste mich ermahnen weiterzuatmen. Mit einem kleinen Schub Psinergie öffnete ich das Vorhängeschloss, das aufklappte, als würde man die Kiefer einer gefrorenen Leiche aufstemmen.
Meine Zähne klapperten, bis ich sie fest zusammenbiss. Stark. Ich bin stark. Das habe ich schon einmal überlebt. Ich legte das Schloss beiseite und hob langsam den Deckel. Die Scharniere quietschten. Sie waren schon lange nicht mehr geölt worden.
„Valentine, D. Schülerin Valentine hat sich unverzüglich ins Büro des Direktors zu begeben.“
Meine Klassenkameraden rissen die Augen auf, ernst und entsetzt und überaus froh, dass nicht ihr Name aufgerufen worden war. Hölzern erhob ich mich und legte mein ramponiertes Schulbuch über magische Theorie zur Seite. Das kleine Rattengesicht der Lehrerin – Embrose Roth, eine ekelhafte Zeremoniale – glühte vor Neugier. Ihr mausgraues Haar war zu einem strengen Dutt gebunden, ihre Aura strahlte geometrisch in kaltem Blau. Als ich zur Tür trottete, spürte ich Roth’ Blicke im Rücken; sie bohrten sich mir wie Rattenklauen in den Nacken.
Mit quietschenden Schuhen stieg ich auf dem Weg zum Direktorat die Treppe zur Aula hinunter. Das Kontrollhalsband schnürte mir die Kehle zu. Verzweifelt suchte ich nach einer Entschuldigung, irgendeiner, die mich vor Schlägen oder Schlimmerem bewahren würde.
In Rigger Hall war es fast immer etwas Schlimmeres.
Meine Hand zitterte, die Fingernägel kratzten über das Metall, als ich den Deckel ganz öffnete.
„Shango, Danny.“ Jace stieß den Atem aus. „Du bist ganz blass. Das muss doch nicht sein.“
Doch, das muss sein. Ich schaute in die Truhe.
Da, ganz oben, lag das Halsband, ein Bogen aus dunklem Metall.
Wellen des Entsetzens liefen mir über den Rücken. Meine Schulter brannte. Um den wilden Schmerz war ich sogar froh. Er half mir, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Ich hatte schon Schlimmeres gesehen, oder? Ich hatte Santino umgebracht. Ich
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