Dante Valentine 02 - Hoellenritt
hatte den Teufel selbst in die Knie gezwungen.
Von den Trümmern meiner Vergangenheit hatte ich nichts zu befürchten. Die Angst, die sich in mir breitmachte, leugnete ich.
„Das ist ein Kontrollhalsband.“ In Jace’ Stimme schwang deutlich hörbar Furcht mit.
Jeder Psion hasst Kontrollhalsbänder. Sie sollen die Normalos vor uns schützen, doch nicht sie sind es, die Schutz nötig haben. Sie sind in der Überzahl, egal in wie vielen Holovids Psione die Hauptrolle spielen. Sie stellen die Regeln auf, und wir, die Leute mit psionischen Begabungen, müssen nach ihrer Pfeife tanzen. Die Halsbänder geben ihnen einfach ein besseres Gefühl.
Aber ein menschliches Wesen kann nur ein bestimmtes Maß an Gängelei ertragen.
„Halt die Klappe, Jace.“ Meine Stimme zitterte, aber sie war noch immer scharf. Die Abschirmungen meines Hauses wurden starr und kristallin – sie standen kurz davor, alles abzuriegeln, als würde ich angegriffen.
Ich atmete tief aus und versuchte, meine Schultern ein wenig zu lockern.
Der mattschwarze Metallbogen mit einseitig integrierter Straffunktion lag völlig bewegungslos da. Ohne Netzteil und Anschluss ans Sicherheitsnetz der Schule war er nutzlos. Dennoch behandelte ich ihn, als stünde er unter Strom, ließ ein Messer aufschnappen, hob ihn mit der Klinge hoch und legte ihn auf den Boden. Ich erinnerte mich noch gut an die abscheulichen Stöße. Wenn ein Halsband angeschlossen war, konnte sich ein Psion nicht dagegen wehren. Es schloss die meisten Formen der Psinergie einfach kurz. Die Lehrer konnten die Einstellungen für die Schüler zu Übungszwecken ändern. Der Grundgedanke, der hinter den Halsbändern stand, war, Psione davon abzuhalten, in einer Phase jemanden zu verletzen, in der sie erst lernten, ihre Begabung zu beherrschen.
Vermutlich war das eine gute Idee. Aber wie bei allen guten Ideen hatte auch hier jemand einen Weg gefunden, sie auf schreckliche Weise zu missbrauchen. Wenn ein Halsband unter Strom stand, verursachte ein Plaselektroschocker höllische Schmerzen, die sich durch alle Nerven brannten, als säße man auf dem elektrischen Stuhl. Es verursachte keine dauerhaften Schäden. Äußerlich zumindest.
Darunter lag ein dreckiges grünes Stück Stoff aus grober Synthwolle, ausgeschnitten aus einer Schultagesdecke, wie es sie im langen, niedrigen Mädchenschlafsaal gab. Ich wischte es beiseite, ein Auge weiterhin nervös auf das Halsband gerichtet.
Meine letzte Schuluniform. Karierter Rock, weiße, vom Alter schon ganz schäbige Wollbluse, Kniestrümpfe und die klobigen Schuhe, die ich immer gehasst hatte. Der dunkelblaue Blazer aus Synthwolle mit dem Wappen von Rigger Hall aus goldenem Zwirn. Die anderen fünf Uniformen hatte ich verbrannt. Diese jedoch hatte ich getragen, als die Hegemonie die Untersuchung beendet und Mirovitch posthum für schuldig erklärt hatte. Nach der Untersuchung stand es uns frei, normale Kleidung zu tragen, und Rigger Hall wurde einmal pro Woche von Sozialarbeitern besucht. Bei diesen Besuchen brauchten die Psis kein Halsband zu tragen. Schließlich wurden unangemeldete Inspektionen zur Regel. Die neue Direktorin, Stabenow, hatte die Schließung der Schule überwacht, nachdem meine Klasse den Abschluss gemacht hatte. Die jüngeren Schüler hatten sich auf andere Schulen der Hegemonie verstreut, die hoffentlich besser kontrolliert wurden.
Ehrfürchtig holte ich ein Teil nach dem anderen heraus, allesamt noch ordentlich zusammengelegt. Jace gab keinen Ton von sich.
Mir stiegen Tränen in die Augen. Ich blinzelte sie beiseite, wollte nicht weinen. Stattdessen beschwor ich Wut herauf, eine schwache, unstete Wut, die mir den Hals nicht abschnürte.
Unter der Uniform stieß ich auf Bücher. Hauptsächlich Schulbücher, allesamt mit braunem Papierschutzumschlag, die mit gezeichneten Glyphen, Zahlen und Noten verziert waren. Dazu elf schmale, braune, gebundene Plaslederbände mit Blattgoldschrift am Rücken.
Jahrbücher.
Vorsichtig hob ich sie heraus. Den übrigen Platz nahmen ein paar billige Schmuckstücke sowie ein arg mitgenommener Teddybär ein, der mich aus Kunststoffaugen ansah.
Den Teddy hatte ich von Lewis bekommen.
Du hast es überlebt, verdammt noch mal. Du hast es überlebt, weil du stark genug warst, dies alles hinter dir zu lassen, stark genug, ins Reich des Todes zu gehen. Fang jetzt nur nicht an, dich selbst zu bemitleiden, Dante Valentine. Reiß dich zusammen und tu, was getan werden muss. Als hättest du dein ganzes
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